Wissenschaftskommunikatorin Mai Thi Nguyen-Kim erklärt, warum die Epidemie noch weitaus länger dauern wird, als die meisten denken.

Mai Thi Nguyen-Kim ist Chemikerin, Wissenschaftskommunikatorin und Dozentin am Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation. In einem YouTube-Video geht sie auf die aktuellen Maßnahmen ein, die im Zuge der Coronakrise nun auch in Deutschland umgesetzt werden.

So sind Kindertagesstätte, Schulen und Geschäfte geschlossen, soziale Kontakte werden auf ein Minimum reduziert. Während einige unermüdlich arbeiten, um das Land am Laufen zu halten, sind andere arbeits- oder auftragslos. Es ist verständlich, dass sich viele schnellstmöglich die gewohnte Normalität zurückwünschen – doch geht das so einfach?

Mai geht davon aus, dass die Epidemie länger dauern werde, als die meisten denken. So spielen verschiedene Faktoren eine Rolle:

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Die Basisreproduktionszahl R0 gibt an, wie viele ein Infizierter ohne Gegenmaßnahmen durchschnittlich ansteckt, wenn niemand immun ist.

Dabei ist sie keine Konstante, sondern kann je nach Region höher oder niedriger ausfallen. Zum Beispiel in dicht besiedelten Städten oder wenn Menschen aus kulturellen Gründen mehr Abstand halten. Den meisten Schätzungen zufolge beläuft sich der Wert für SARS-CoV-2 von 2 bis etwas über 3. (R0 zwischen 2.24 und 3.58)

Die effektive Reproduktionszahl gibt hingegen an, wie viele ein Infizierter ansteckt, nachdem Gegenmaßnahmen ergriffen wurden oder ein Teil der Population immun ist.

Eine Herdenimmunität würde erreicht werden, wenn so viele immun sind, dass jeder Infizierte weniger als eine Person ansteckt. Die effektive Reproduktionszahl also unter 1 fällt. Bei R0 = 2 müssten für eine Herdenimmunität 50% bereits immun sein. Bei R0 = 3 sind es schon 66.6%.

Pandemien wie COVID-19 sind laut Mai erwartbar. In vielen Ländern gibt es entsprechende Influenza-Pandemiepläne. So fängt man mit Eindämmungsversuchen an und bei zu starker Verbreitung gehen die Maßnahmen zur Schadensbegrenzung bzw. Folgenminderung über. Die Maßnahmen passen sich individuell an die Situation an und sind nicht festgelegt. So kommen einige Maßnahmen sowohl für die Eindämmung als auch für Folgenminderung zum Zug. (Beispiel: Einschränkung von Veranstaltungen)

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Eine Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie mit Modellrechnungen für Szenarios verschiedener Verläufe zeigt, dass R nur knapp über 1 liegen darf, damit die Zahl der Betten in Intensivstationen ausreichen.

Dazu bedarf es drastischer Maßnahmen, wie dem Lockdown in der am schwersten getroffenen Stadt Wuhan. Die Reproduktionszahl senkte sich deutlich nach dieser Maßnahme. (Siehe Schätzungen hier und hier)

Zum Abschluss noch die Modellierungen des RKI, die mögliche Saisonalität und bereits bestehende Immunität berücksichtigen. Wünschenswert: Flachere Kurve, weniger Erkrankte insgesamt, Eindämmung durch Kontaktverfolgung + Isolierung wäre einfacher.

Doch selbst mit starker Saisonalität und beträchtlicher Immunität würde die Zahl der gleichzeitigen Erkrankungen die Kapazität des Gesundheitssystems übersteigen, wenn sie nicht durch zusätzliche Maßnahmen gesenkt wird.

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