In einem auf Telegram kursierenden Videoausschnitt sagt der deutsche Chefvirologe Christian Drosten in einer Online-Diskussion: „Die Krankheit existiert nicht, sie ist nicht da“.

Das Video zeigt allerdings nur einen Ausschnitt, es ist vermutlich wichtig, die Aussage in den gesamten Kontext zu stellen, um zu erkennen, was Drosten damit sagen wollte. Denn davon gehen wir aus, dass ihm bewusst ist, dass die Krankheit – COVID-19 – existiert.

Ein Artikel von Gastautor Martin Uschakow

Was ist der Inhalt des Videos?

Im englischen Original sagt Christian Drosten: „The disease is not existing, it’s not there“. In dem Video, das derzeit auf Telegram mit folgenden deutschen Untertiteln kursiert, sagt Drosten weiter: „Der typische Befund ist, die Fallzahlen gehen hoch, aber die Todeszahlen gehen nicht hoch. Wir haben keine Toten. Und das hält Menschen, die sich nicht mit den Zahlen beschäftigen, davon ab …“

An dieser Stelle bricht das Video inmitten Drostens Erklärung ab. Damit soll suggeriert werden, dass selbst der bekannteste Virologe im deutschsprachigen Raum die Existenz von Erkrankungen mit dem Coronavirus in Abrede stellt oder zumindest relativiert.

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Woher stammt der Ausschnitt? Was wird gesagt?

Der Ausschnitt stammt aus einem Anfang September veröffentlichten Science-Podcast, der von Vincent Racaniello, Professor für Mikrobiologie und Immunologie an der Columbia University, mit dem Ziel ins Leben gerufen wurde, wissenschaftliche Inhalte einem breiteren Publikum zu vermitteln. In dem zwei Stunden dauernden Podcast spricht Christian Drosten zusammen mit Vincent Racaniello, Richard Condit, einem Virologen und emeritierten Professor der University of Florida und Brianne Barker, Immunologin und Assistenzprofessorin für Biologie an der Drew University, eine Stunde lang über das Virus und die aktuelle Situation in Deutschland.

Racaniello erläutert hier die Problematik, dass es in den USA eine Menge Leugnung gab, und dass auch seitens der Regierung die Existenz und das Ausmaß des Problems geleugnet wurde. Dies wäre sicherlich ein Grund, dass es außer Kontrolle gerät und die öffentliche Wahrnehmung bezogen auf die Ernsthaftigkeit der Situation leidet.

Drosten bestätigt, dass in Deutschland das gleiche Phänomen bestehe. Die Rolle der Öffentlichkeit sei eine sehr wichtige, und es sei in Deutschland nicht ganz so schlimm wie in den USA, trotzdem ist hier ein Verlust des öffentlichen Vertrauens in die Maßnahmen zur Abwehr des Coronavirus zu erkennen.

Auf die Frage, warum dies auch in Deutschland der Fall sei, geht Drosten ab Minute 32:48 des Podcasts ein und erklärt die Wahrnehmung der Öffentlichkeit:

„Nun, weil die Krankheit nicht existiert, sie ist nicht da, und ich meine, was wir jetzt sehen, ist die typische Erkenntnis: Obwohl die Fallzahlen steigen, steigen die Todesfälle nicht. Es gibt keine Toten. Und das verhindert eigentlich, dass Leute, die sich nicht mit den Zahlen beschäftigen, und die sich nicht an die Prinzipien des ganzen Phänomens halten, die nicht den Zusammenhang sehen, wie Infektionen zustande kommen, wie Todesfälle etwas später zustande kommen, wie die Sterblichkeit erwartungsgemäß geringer ist, wenn sie Studenten haben, die infiziert sind, statt Bewohner von Pflegeheimen. Wenn man diese Verbindung nicht herstellt, verliert man den Glauben, man hört auf zu glauben. Man sieht nur ein paar Zahlen und ein paar Diagramme und denkt ‚was zum Teufel ist hier los, die Wirtschaft verliert zehn Prozent‘.“

Fazit: Wie ist Drostens Antwort einzuordnen?

Wie an dem Transkript der relevanten Stelle zu erkennen ist, handelt es sich um eine weit umfassendere Antwort Drostens, als in dem 41-sekündigen Ausschnitt vermittelt wird. In dem Videoausschnitt wird Drostens Antwort verkürzt dargestellt und aus dem Zusammenhang gerissen. Sie wurde dadurch in die zu übermittelnde Botschaft „Corona gibt es nicht“ umgedeutet. Es soll zudem bestätigen, dass die Ablehnung von Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie berechtigt sei.

Der Kontext ist zum Verständnis Drostens Aussage maßgebend. Er ordnete die Wahrnehmung der Öffentlichkeit ein. Seinen Ausführungen folgend wird klar, dass er nicht behauptet, es gebe kein Corona, sondern dass das Virus in der öffentlichen Wahrnehmung zum damaligen Zeitpunkt kaum vorhanden war. 

Dies war der Infektion junger Menschen wie bspw. SchülerInnen und StudentInnen geschuldet, bei denen eine Infektion mit COVID-19 in den meisten Fällen mit milden bis gar keinen Symptomen verläuft. Man müsse den Zusammenhang zwischen dem Zustandekommen von Infektionen, der Verzögerung von Todesfällen infolge von Infektionen und die Sterblichkeit nach der Gefährdung der Betroffenen beurteilen. Fehlt diese Verknüpfung, sieht man nur noch Zahlen, Diagramme und wirtschaftliche Verluste. Und verliert letztlich das öffentliche Vertrauen.

Quellen: mocrobe.tv – Podcast vom September / YouTube
Dieser Beitrag wurde verfasst von Martin Uschakow.

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