Die Behauptung geistert schon seit über 20 Jahren von Mund zu Mund oder durch das Internet: Spinnen scheinen offene Münder nachts anziehend zu finden, krabbeln rein… und werden dann unabsichtlich verschluckt. Lecker, oder? Kennt man ja, dass man sich morgens beim Zähneputzen erst einmal ein Spinnenbeinchen zwischen den Zähnen rauspulen muss.
Doch woher stammt die Erkenntnis eigentlich? Machen wir uns auf die Spurensuche!

Finden Spinnen Münder anziehend?

Davon ist eher nicht auszugehen. Das Burke Museum of Natural History and Culture betont, dass in der wissenschaftlichen oder medizinischen Literatur kein einziger solcher Fall offiziell dokumentiert wurde, in dem das je geschehen ist. Millionen von Menschen haben schon einmal eine andere Person beim Schlafen beobachtet; warum gibt es dann keinen einzigen Augenzeugenbericht über den Versuch einer Spinne, in den Mund des Schlafenden zu gelangen?

Wie nehmen Spinnen uns wahr?

Spinnen haben zwar bis zu 8 Augen, aber keine Ohren. Ihre Umwelt nehmen sie stattdessen durch Vibrationen wahr, die sie mit ihren hochempfindlichen Beinchen spüren. Und da liegt nun ein Mensch: Ein riesiger Berg, der sich bewegt, einen für Spinnen sehr lauten Herzschlag hat, atmet und womöglich auch noch schnarcht.

Für Spinnen bedeutet dies nur eines: Fern bleiben! Unsere schlafenden Körper sind kein wirklich einladender Teil ihrer Umgebung, und es gibt wirklich keinen Grund für eine Spinne, in die brüllende Höhle dieses Bergs mit ständigem Luftzug zu krabbeln.

Die Quellen des Mythos

Große Verbreitung dürfte der Mythos im Jahr 1999 bekommen haben, als die oft gelesene News-Seite „The Guardian“ eine Liste mit 50 wissenswerten Fakten veröffentlichte (siehe HIER). Als Punkt 12 schreiben sie „Der durchschnittliche Mensch isst acht Spinnen in seinem Leben, nachdem sie ihm im Schlaf in den Mund gekrabbelt sind“.

Viele Seiten behaupten, dass der Mythos erstmals 1993 in einem Artikel erschien, in dem es darum ging, wie bereitwillig Menschen Informationen, die sie im Internet lesen, als Tatsache akzeptieren, egal wie lächerlich sie erscheinen. Der Autor führte die fiktive Statistik über Spinnen als abwegiges Beispiel an, um dann zu beobachten, wie sie sich schnell als Tatsache im Internet verbreitete.

Es geht aber noch früher: Im Jahr 1992 schrieb Margot Anne-Stephanie Vigeant in einem Artikel namens „Things to stress over“ (Dinge, über die man sich aufregen kann) im Cornell Engineer Magazin: „Der durchschnittliche Mensch verschluckt im Laufe seines Lebens acht Spinnen im Schlaf. Was, wenn alle acht heute Nacht auftauchen?

Habt ihr es gemerkt? Damals war der Mythos noch „8 Spinnen im Laufe des Lebens“, nicht „8 Spinnen im Jahr“.

Angeblich habe der „Fakt“ sogar bereits im Jahr 1954 in dem Buch „Insect Fact and Folklore„, doch in dem Buch findet sich kein Wort über Spinnen… was auch kein Wunder ist, denn in dem Buch geht es um Insekten (6 Beine), nicht um Arachniden (8 Beine).

Auf der Suche nach einer Zeitschrift

Konzentrieren wir uns mal auf das Jahr 1993, denn oftmals wird dazu der Name einer Zeitschrift und einer Autorin genannt: „PC Professional“ und Lisa Birgit Holst.

Um es kurz zu machen: Eine Zeitschrift mit dem Namen gab es zu der Zeit nicht, auch über eine Lisa Birgit Holst ist nirgend etwas zu finden… außer bei unseren Kollegen von Snopes! Und nun wird es interessant: Sind die Kollegen etwa selbst auf einen Hoax hereingefallen?

Wer ist Lisa Birgit Holst?

Die Kollegen von Snopes schrieben damals 2001:

In einem Artikel in PC Professional aus dem Jahr 1993 schrieb die Kolumnistin Lisa Holst über die allgegenwärtigen Listen von „Fakten“, die per E-Mail in Umlauf gebracht wurden, und wie leichtfertig sie von leichtgläubigen Empfängern als wahr akzeptiert wurden. Um ihren Standpunkt zu verdeutlichen, bot Holst ihre eigene erfundene Liste mit ebenso lächerlichen „Fakten“ an, darunter die oben zitierte Statistik über das Verschlucken von acht Spinnen pro Jahr durch den Durchschnittsmenschen, die sie einer Sammlung gängiger Irrglauben entnahm, die 1954 in einem Buch über Insektenvolkskunde abgedruckt wurde. Es ist eine köstliche Ironie, dass Holsts Verbreitung dieser falschen „Tatsache“ dazu geführt hat, dass sie zu einer der am meisten verbreiteten Fehlinformationen im Internet geworden ist.

Quelle: Snopes

Habt ihr es gesehen? Snopes schreibt sogar von dem Buch aus dem Jahr 1954, in dem dies aber nicht stand. Was ist da los?
Die einfache Auflösung: Die Kollegen haben damals getrollt. 😉

Auf einer Extra-Seite (siehe HIER) klären sie die jüngere Leserschaft darüber auf:
In den frühen Jahren des Internets, „trollte“ Snopes gerne und schuf deshalb im April 2001 dieses „Easter Egg“ als Augenzwinkern für ihre Stammleser. Sinngemäß schreiben sie „Ihr werdet vielleicht bemerkt haben, dass es „PC Professional“ und die Kolumnistin Lisa Birgit Holst nicht gibt“.

Der Name der Kolumnistin, den viele Leser erfolgreich herausgefunden haben, ist ein Anagramm des Satzes „This is a big troll“.

„Lisa Birgit Holst“ ist also eine reine Erfindung von Snopes gewesen.

Fazit

Die wahren Ursprünge dieser Behauptung liegen also immer noch im Dunkeln. Fest steht nur, dass bereits 1992 behauptet wurde, wir würden im Schlaf Spinnen essen. Doch es gibt keinerlei Zeugen, dass dies je geschehen ist, keine Beweise, keine wissenschaftlichen Untersuchungen. Auch sämtliche Logik spricht dagegen, es würde absolut dem Verhalten von Spinnen widersprechen.

Bei der Behauptung handelt es sich also um einen unbewiesenen Mythos. Ihr dürft wieder ruhig schlafen… solange euch die sich paarenden Milben in eurem Gesicht nicht stören.


Unsere virtuelle Faktencheck-Bewertungsskala: Bei der Überprüfung von Fakten, in der Kategorie der „Faktenchecks„, nutzen wir eine klare Bewertungsskala, um die Zuverlässigkeit der Informationen zu klassifizieren. Hier eine kurze Erläuterung unserer Kategorien:

  • Rot (Falsch/Irreführend): Markiert Informationen, die definitiv falsch oder irreführend sind.
  • Gelb (Vorsicht/Unbewiesen/Fehlender Kontext/Satire): Für Inhalte, deren Wahrheitsgehalt unklar ist, die mehr Kontext benötigen oder satirisch sind.
  • Grün (Wahr): Zeigt an, dass Informationen sorgfältig geprüft und als wahr bestätigt wurden.

Unterstütze jetzt Mimikama – Für Wahrheit und Demokratie! Gründlicher Recherchen und das Bekämpfen von Falschinformationen sind heute wichtiger für unsere Demokratie als jemals zuvor. Unsere Inhalte sind frei zugänglich, weil jeder das Recht auf verlässliche Informationen hat. Unterstützen Sie Mimikama

Wenn dir unsere Arbeit gefällt und du findest, dass sie dir weiterhilft, ist es dir vielleicht 4,50 EUR im Monat wert, uns zu unterstützen? Mit einem kleinen Beitrag kannst du dazu beitragen, dass wir weiterhin Fehlinformationen entgegenwirken und die Öffentlichkeit aufklären.

Mehr von Mimikama

Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.
2) Einzelne Beiträge entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)