Wann immer es irgendwo ein großes Unwetter gibt, welches Todesopfer fordert, tauchen aus den Untiefen des Internets Gestalten auf, die von sich behaupten, den großen Durchblick zu haben: die Verschwörungstheoretiker.

Update: Artikel ergänzt um „Nachtrag“, 13.09.2017 00:40 Uhr
So nun auch pünktlich zum Hurrikan Irma, der derzeit nicht nur den USA zu schaffen macht: Denn dieser Hurrikan ist angeblich menschengemacht!? Ein echter Heuler oder ein Sturm im Wasserglas?

„Prof. Fr. Michio Kaku bestätigt das die Hurrikan’s Irma und Co. Über HAARP erzeugt werden“
„Prof. Dr. Michio Kaku bestätigt das die Hurrikan’s Irma und Co. Über HAARP erzeugt wurden“

So behauptet der Blog „Zeit zum Aufwachen“:

„Prof. Dr. Michio Kaku bestätigt das die Hurrikan’s (sic!) Irma und Co. Über HAARP erzeugt wUrden“

Weiter heißt es in dem mit Google-Translate übersetzen Artikel (was der Autor des Blogs gleich zu Beginn des Artikels zugibt):

„In einem in einem interview ausgestrahlten von CBS, räumte ein Dr. Kaku ein, dass die jüngsten ‚man-made‘ – Hurrikane waren das Ergebnis einer Regierung, die weather modification-Programm, in dem der Himmel gesprüht mit nano-Partikeln und stürmen dann „aktiviert“ durch die Verwendung von „Lasern“.“

Warum musste der Artikel übersetzt werden?

Wahrscheinlich, weil der „Zeit zum Aufwachen“-Blogger nicht allzu gut Englisch kann. Was allerdings besser gewesen wäre, denn dann wüsste er auch, was Dr. Kaku in dem Video wirklich sagt. Aber dazu kommen wir noch.
Der Artikel stammt ursprünglich von der Seite „YourNewsWire.com“, die uns schon öfter durch hanebüchene und frei erfundeneNewsbegegnet ist. Diese Seite war jene, die behauptet hat, Queen Elizabeth hätte mit Abdankung gedroht, sollte die Brexit-Abstimmung für ein Verbleiben ausfallen. Ebenfalls war sie an der Verbreitung des „Pizzagate“-Hoaxes beteiligt. Sie gehört zu den auf Snopes am meisten behandelten Seiten und wurde von Google mittlerweile aus dem Werbenetzwerk entfernt. Dass Adolf Hitler nach Argentinien geflüchtet sei, ist dort übrigens ebenfalls zu finden.

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Wer ist Michio Kaku?

Wer gelegentlich mal Wissenschaftsdokumentationen sieht, wird diesem Herrn sicherlich schon öfter begegnet sein: Michio Kaku ist einer der bekanntesten Physiker der USA mit dem Forschungsgebiet Theoretische Physik (String Theorie). Ja, das ist derselbe Forschungszweig, an dem auch Sheldon Cooper in „The Big Bang Theory“ forscht…

Der Sohn japanischer Einwanderer genießt eine Art „Popstar-Status“ unter Wissenschaftlern durch seine populärwissenschaftlichen Beiträge zu theoretisch-physikalischen Themen.

Was ist HAARP?

HAARP ist die Kurzform für „High Frequency Active Auroral Research Program“, ein ursprünglich militärisches Programm der USA, bei dem Radiowellen zur Untersuchung der oberen Atmosphäre und der Ionosphäre eingesetzt wurden. Das Programm wurde 2014 beendet, im August wurde die Anlage in Alaska an die dortige Universität in Fairbanks übergeben, welche sie an Forscher vermietet. Was die Anlage wirklich macht, und was sie garantiert nicht macht (bzw. gar nicht machen kann), hat der Astronom Florian Freistetter einmal hier sehr schön beschrieben.
Obwohl die Anlage mit 960 Kilowatt gerade einmal die Sendeleistung von 680 Haushaltsstaubsaugern oder ein Siebtel einer Elektrolokomotive der Deutschen Bahn hat, vermuten Verschwörungstheoretiker, dass mit jener Anlage weltweit das Wetter manipuliert wird.

Danke. Aber was hat nun Michio Kaku in dem Video gesagt?

Youtube sei Dank: Es gibt einen Videoausschnitt, in dem er über Möglichkeiten zur Wetterkontrolle redet und welches die Grundlage für die skurrile Behauptung in dem Artikel ist:

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Konkret geht es in dem Video darum, dass es eines Tages (!) (also nicht jetzt oder in der Vergangenheit, sondern irgendwann einmal) möglich sein wird, mittels starken Lasern das Wetter beeinflussen zu können.
Michio Kaku sagt dazu:

„Anstatt dass wir einen Regentanz machen,  feuern wir Physiker Laserstrahlen mit der Stärke von einer Billion Watt [im Englischen: a trillion watt] in den Himmel, um Regenwolken und Gewitter zu erzeugen. Das ist ein potentieller „Game Changer“.
Dies ist allerdings nur experimentell, zumindest im Labor funktioniert es.“

Können nun also damit Tornados und Hurrikans erzeugt werden?

„Die schlechte Nachricht ist: Bei klarem Himmel kann kein Laser etwas ausrichten, da bereits Wasserdampf (Wolken) am Himmel sein muss, um ihn durch die Laserstrahlung kondensieren zu lassen.“

Der letzte (scherzhafte) Satz Kakus dürfte nun aber für die Aufregung gesorgt haben:

„Für Fluten,  für Ackerbau,  für Farmer,  für Leute,  die Hochzeitsgesellschaften planen,  für Football-Spiele…  Sie sagen es,  für alle möglichen Events,  für Ackerbau und Fluten,  sogar für Hurrikans…  all dies kann Thema für Wetterbeeinflussung sein.“

Er redete allerdings nicht davon, etwa Hurrikans zu erzeugen (dazu gehört mehr, als „nur“ Regen zu produzieren), sondern im Gegenteil, Hurrikans zu verhindern, indem man Wolken gezielt und punktgenau abregnen lässt.
Diese Methode, Wolken vorher abregnen zu lassen, ist nichts Neues, bereits in den 60er Jahren ließ die CIA Wolken mittels Silberiodid über Vietnam abregnen (Operation Popeye). Auch heutzutage wird die Methode von Farmern in den USA verwendet, allerdings ist jene Vorgehensweise nicht sonderlich zuverlässig.

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Was hat das nun mit HAARP und „Irma“ zu tun?

Gar nichts. Michio Kaku redet von Laserstrahlen, HAARP arbeitet jedoch mit Radiowellen. Auch konnte er zum Zeitpunkt des Interviews (2013) noch nicht einmal etwas von „Irma“ ahnen, genauso wenig „gibt er zu“, dass Hurrikans dadurch entstehen.

Fazit

Nein, Michio Kaku behauptet in dem Interview zu keinem Zeitpunkt, dass Hurrikans durch HAARP erzeugt werden. Er redet nicht einmal von HAARP, sondern von Laserstrahlen (die nichts mit HAARP und seinen Radiowellen zu tun haben), die künftig das Wetter beeinflussen könnten.
Im Endeffekt hat also „Zeit zum Aufwachen“ per Copy & Paste den Artikel einer Fake News Seite genommen und per Google Translate übersetzt, ohne sich anscheinend mal das verlinkte Video angesehen (oder verstanden) zu haben.

Nachtrag

In den Kommentaren zu dem Artikel fanden sich immer wieder Hinweise auf ein ominöses US-Patent mit der Nummer „US20030085296 A1“, ein angebliches „Hurricane and tornado control device“, welches mithilfe von Schallwellen Hurricanes auflösen, lenken oder verstärken könne.
Vielleicht sollte man dazu anmerken, dass eine Patentanmeldung im Prinzip nichts anderes heißt, als dass jemand eine Idee hat und diese sich schützen lassen will. Ob das Ding dann wirklich funktioniert oder nicht, ist eine ganz andere Frage. (Spoiler: Es gibt keine wissenschaftliche Grundlage, dass dies – erst recht in so einem Maßstab – auch nur ansatzweise funktioniern könnte.) Eine Anmeldung ist kein erteiltes Patent, erkennbar an dem „A1“ hinter der Kennziffer.
Es wäre auch erstaunlich wenn es funktionieren würde. Der Inhaber dieses Patents, Andrew Waxmanski, ist kein Wissenschaftler irgendeiner Art, sondern ein Privatmann, dessen beiden andere eingereichten Patente eine federbetriebene Fischfalle und ein stapelbares Schuhregal sind.
Artikelbild: Shutterstock

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