Ein Jahr nach dem Terroranschlag von Brüssel wurde Europa erneut von einem Terroranschlag erschüttert. Beim Anschlag am Westminster-Palast wurden neben dem Attentäter noch fünf weitere Personen getötet und rund 40 verletzt. Nun versuchen wieder einige Personen, den Anschlag für die eigenen politischen Ansichten auszunutzen – mit einem Bild einer vermutlichen Muslima.

Dabei geht es um folgende Darstellung, die auch im deutschsprachigen Raum häufig geteilt wurde:

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Dabei geht es um die junge Frau mit Kopftuch, bei der es sich vermutlich um eine Muslima handelt. Sie wird nun dafür kritisiert, dass sie nicht geholfen hat.

Fake oder nicht Fake? Das ist hier nicht die Frage

Nun könnte man sich auf die Suche machen, wer die Bilder wann und wo wie das erste Mal hochgeladen hat. Man könnte das Bild zahlreichen Untersuchungen unterziehen, ob es nicht aus mehreren zusammengeschnitten wurde.

Die Erfahrung zeigt immerhin: Wenn es an das Bilderfälschen geht, nutzen die meisten Leute irgendwie Bilder aus dem Internet, statt selber welche zu erstellen. Das lässt sich meist zuverlässig nachweisen.

Doch diesmal verzichten wir darauf, dass Bild so umfassend zu untersuchen. Denn: Es ist völlig egal!

Neben der Aufklärung von Fakes und Phishing ist es unsere Aufgabe, die Medienkompetenz im deutschsprachigen Raum zu stärken. Dazu gehört letztlich auch, durchaus reale Inhalte kritisch zu betrachten.

Wenn Deutsche Hilfe leisten… sollten!

Erstmal stellen wir fest: In Deutschland gibt es auch häufiger mal Gelegenheit, anderen zu helfen. Was sehr viele Menschen davon halten kann, man an verschiedenen Titeln der letzten Monate erkennen:

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Quelle: RP Online

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Quelle: Kreiszeitung

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Quelle: Kölner Stadtanzeiger

Ich war auch schon Zeuge solcher Situationen.

Als ich einmal zu meiner Arbeit im Wissenschaftshafen Magdeburg wollte, musste ich eine Bushaltestelle in der Innenstadt nutzen. An einer Kreuzung stand ein PKW, daneben mehrere Personen. Was ich erst später sah: Auf der Straße lag eine ältere Dame einige Meter entfernt von ihrem Fahrrad. Um sie gekümmert hat sich niemand, nicht mal gesprochen hat man mit ihr.

Kurz bevor ich an der Unfallstelle – die Fahrradfahrerin wurde von einem PKW erfasst – ankam, war der RTW ebenfalls eingetroffen, direkt dahinter das Notarzteinsatzfahrzeug. Während ein Teil der Besatzung die Ausrüstung herausnahm, rannten die anderen zu der älteren Dame. Dann erst wurde ihr geholfen.

Was hätte die Muslima denn machen sollen?

Auf dem jetzt veröffentlichten Foto sehen wir, dass die junge Dame ebenfalls nicht hilft. Das liegt aber wahrscheinlich an einem ganz einfachen Grund: Ihre Hilfe wird nicht benötigt.

Mehrere Ersthelfer sind schon an der verletzten Person dran, links steht ein zumindest augenscheinlich gelangweilter Mann, der mehr zu gaffen scheint. Auf einem anderen Foto, mit einem etwas anderen Blickwinkel, sieht man noch einen anderen Mann, der sich mit mindestens einer Person ganz rechts unterhält.

All das sieht man natürlich nur anhand eines Bildes. Letztlich kann man aus einem einzelnen Bild nicht die gesamte Situation bewerten. So könnte der augenscheinlich gelangweilte Mann ja eben noch neben dem Opfer gekniet und Erste Hilfe geleistet haben. Das wissen wir nicht.

Wir haben aber noch ein weiteres Foto aus einem etwas anderen Blickwinkel gefunden:

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Während vornehmlich “alternative Seiten” verbreiten, dass die junge Frau völlig unbeeindruckt an der Situation vorbei geht, sieht man hier den entsetzten Gesichtsausdruck der Frau:

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Warum sie nun so schaut, wissen wir nicht. Eine mögliche und wahrscheinliche Reaktion: Sie steht unter Schock, schreibt eine Nachricht an ihre Familie und Freunde, dass sie wohlbehalten ist. Möglich ist aber auch, dass sie Angst hat, von aufgebrachten Personen angegriffen zu werden, weil sie eben Muslima ist.

Und die Moral von der Geschichte…

Eigentlich könnte man die Diskussion jetzt ganz einfach mit folgendem Bild abschließen:

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Quelle: Twitter

Es ist und bleibt so:

Zahlreiche Menschen sind an den Opfern vorbeigegangen. Viele Menschen waren bereits damit beschäftigt, den Verletzten zu helfen. Zusätzliche Helfer wurden nicht benötigt. Offenbar scheint das aber nur dann ein „Skandal“ zu sein, wenn es sich um einen Moslem handelt.

Zurück zu der Fahrradfahrerin in der Magdeburger Innenstadt: Sie lag nur wenige Meter von der Bushaltestelle entfernt und wurde versorgt. Natürlich hat da niemand mehr geholfen – besser als ein Arzt und Rettungssanitäter kann man es nicht machen. Wozu also helfen? Beschämenderweise haben aber viele Menschen, wenn die meisten auch nur kurz, angehalten und haben gegafft. Die Leute an der Bushaltestelle fast die gesamte Zeit – bis auf mich.

Was ich gemacht habe: Ich habe mein Smartphone herausgeholt und darauf geschaut. Denn eines ist ganz klar: Wer in einer Notsituation ist will nicht begafft werden. Jeder, der selber in einer solchen Situation war, weiß wie unangenehm und belastend das ist. Nehmt Euch also lieber ein Beispiel an der Muslima (oder an mir) und gafft auf Euer Smartphone statt auf Opfer und Helfer!

Und bevor Ihr solche Bilder teilt denkt daran:

Zuerst denken, dann klicken. Niemand muss helfen, wenn die Hilfe bereits ausreichend vorhanden ist!


Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.
2) Einzelne Beiträge entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)


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