Verbot von blauen und grünen Pigmenten würde einen Wegfall von circa 66 Prozent des gesamten Farbspektrums bedeuten

Das Thema: Will die EU grüne und blaue Tattoos verbieten?
Ein Artikel von oe24 sorgt im Moment für sehr viele Anfragen in unserer Redaktion. Gerne klären wir den Sachverhalt.  Alle deutschen Tattoo-Supplier, Hersteller von Tattoofarben, die Tattooverbände BVT und DOT, Tätowierer und Tätowierte haben sich zusammengeschlossen und treten für diese Sache ein. Da muss es doch einen ernsten Hintergrund geben, oder etwa nicht? Feelfarbig.com hat bei Gordon Lickefett, Tattoosafe – einer von Deutschlands führenden Shops für Tattoo Equipment – und Vorstand des Bundesverband Tattoo (BVT) nachgefragt.

Verbot von Pigmenten zur Herstellung diverser Tattoofarben

Zur Herstellung diverser Tattoofarben werden vor allem Pigmente verwendet, die für die Farbgebung verantwortlich sind. Somit sind sie essentieller Bestandteil bunter Tattoos. In einer Studie aus dem Jahr 2018 wurden 451 Farben untersucht, die über acht Jahre hinweg gesammelt wurden. Darunter waren 396 Tattoofarben und 55 Farben für Permanent-Make Up. In mehr als einem Viertel der Farben waren das Pigment Blue 15 enthalten, in 12 Prozent der Farben das Pigment Green 7. Die beiden Pigmente waren damit die am häufigsten verwendeten Pigmente in den getesteten Tattofarben und sind somit zweifelsohne absolut notwendig.

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Die Studie wurde in der Schweiz vorgenommen, wo das Pigment Green 7 als Inhaltsstoff für Tattoofarben bereits verboten war. Trotzdem war es in 12 Prozent der Farben nachweislich enthalten. In 68 Prozent der Farben war dieses Pigment nicht gelistet, die Etikettierung der Produkte und die Auszeichnung der Inhaltsstoffe ist also fehlerhaft. Doch gibt es keine ausreichende Marktkontrolle für Tattoofarben, die dem entgegenwirken könnte.

Wer steht hinter dem Verbot der Pigmente?

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) prüft derzeit den Sachverhalt. Sie ist eine Behörde der EU, regelt Bewertungen und gibt folgend Empfehlungen für neue Zulassungen oder auch Verbote von Chemikalien aus. Damit soll eine Risikobegrenzung und auch Überwachung der Chemikaliensicherheit gegeben werden. In diesem Fall arbeitet sie im Auftrag der EU Kommission, die auch für die Entscheidung verantwortlich ist, ob die Pigmente verboten werden oder nicht.

Tattoo-Farben sind nicht als Kosmetika anzusehen

In der geplanten REACH (europäisches Chemikalienrecht)-Verordnung sollen Inhaltsstoffe von Tätowiermitteln unter anderem dann verboten werden, wenn diese in Kosmetika unzulässig sind. Allerdings vergleicht man hier Äpfel mit Birnen. In der Kosmetik ist es plausibel, dass es Verbote für Produkte gibt, die für Schleimhäute ungeeignet sind oder eine langfristige Färbung der Haut verursachen. Teilweise werden Verbote also mit Produkteigenschaften begründet, die bei Tattoos entweder keine Rolle spielen oder sogar erwünscht sind. Man müsste also eine eigene Regelung für Tätowierfarben schaffen.

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Keine Ersatzpigmente verfügbar

Die Tattoo-Industrie in Deutschland setzt hohe Standards, um Konsumenten und auch Tätowierer zu schützen. Es werden eigene wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt und ein enger Kontakt zu Pigment-Herstellern gehalten. Die Sicherheit ihrer Produkte gehört in Deutschland für die Händler dieses Markts einfach dazu.

Gordon Lickefett erklärt: „Was die EU-Komission denkt, ist dass es für diese beiden Pigmente Ersatzpigmente gibt. Die gibt es aber derzeit noch nicht. Vom gesamten Farbspektrum würden circa 66 % der Farben in der gesamten EU unzulässig werden. Kein blau, kein grün und somit zum Beispiel auch kein braun!“

Man muss befürchten, dass es durch ein Verbot der besagten Pigmente zu weiteren Problemen kommt. Es ist nicht vorstellbar, dass Tätowierer in Zukunft ohne blau und grün weiter arbeiten. Zu viele Kundenwünsche oder auch Motive wären ohne diese Farben einfach nicht machbar. Somit würden Tätowierer, die auf bestimmte Farben angewiesen sind, nahezu gezwungen werden, Farben aus dem Ausland zu beziehen, welche keiner Kontrolle oder Regulation unterliegen und diese illegal nutzen. In dieser Befürchtung stimmt Gordon Lickefett zu:

„Für die ECHA und bei der geplanten REACH-Verordnung steht der Verbraucherschutz im Vordergrund. Meiner Meinung nach ist aber genau dieser in Gefahr. Wir Hersteller und Händler in Deutschland nehmen unsere Verantwortung sehr ernst. Wir haben hier eine lückenlose Rückverfolgbarkeit unserer verkauften Farben etabliert. Sollte es also einen Rückruf geben, können wir ganz gezielt die betroffenen Kunden kontaktieren. Sobald die Tätowierer dann aber illegale Farben verwenden, die schädliche Inhaltsstoffe enthalten, weiß nachher keiner, was überhaupt in der Haut drin ist. Sollten also gesundheitliche Schwierigkeiten auftreten, gibt es keinen Ansprechpartner und keinen Schutz weiterer Verbraucher.“

Eine eigene Regelung für Tätowierfarben muss her!

Es wurde eine Petition gestartet, um Tattoofarben zu retten und einem Verbot der Pigmente entgegenzuwirken. Die Petition läuft vom 15.01.2020 bis zum 15.02.2020, es sind 50.001 Stimmen notwendig. Werden diese Stimmen erreicht, wird das Anliegen direkt mit den Abgeordneten in einer öffentlichen Sitzung vom Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages diskutiert.

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Gordon Lickefett dazu: „Unser Ziel ist es durch diese Petition die Aufmerksamkeit der Bundesregierung zu gewinnen. Wir wünschen uns weitere konkrete Gespräche, sodass Deutschland letztlich bei der REACH-Verordnung mit Nein stimmt. Der Vorteil der hoffentlich erfolgreichen Petition liegt nämlich darin, dass das Thema direkt in den Bundestag kommt und die Bundesregierung sich unserem Anliegen annehmen muss. Bei regulären Unterschriftensammlungen oder ähnlichen Dingen gibt es für die Regierung oft Ausweichmöglichkeiten. Darüber hinaus möchten wir natürlich auch möglichst viele für das Thema sensibilisieren und aufklären.“

Quelle: feelfarbig.com
Artikelbild: Shutterstock / Von Anna Maltseva

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