Ralph Drollinger, der Leiter des Bibelkreises im Weißen Haus, lässt in einem Newsletter viel Spielraum für Spekulationen, wer Schuld an „derzeit Gottes Gericht“ sei.

Seit dem Jahr 1517, als Martin Luther seine Thesen veröffentlichte und damit die (von ihm nicht beabsichtigte) Trennung von der römisch-katholischen Kirche einleitete, haben sich viele verschiedene Kirchen gebildet.Eine dieser Strömungen sind die sogenannten Evangelikalen, zu denen auch Ralph Drollinger gehört.

Für sie ist die Bibel wirklich Gottes Wort, das sich immer zu jeder Zeit auf die Welt bezieht. Gerade in Zeiten wie diesen sind Evangelikale deshalb schnell dabei, das Auftreten von Viren, Naturkatastrophen o. ä. als die Strafe Gottes für das sündhafte Leben der Menschen zu verstehen und zu verkündigen.

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Drollinger

Deshalb überrascht es wenig, wenn sich Ralph Drollinger, der Leiter des Bibelkreises im Weißen Haus, mit dieser Frage beschäftigt. Seine Organisation Capitol Ministries hat sich zum Ziel gesetzt, die Menschen in politischer Verantwortung zu Nachfolgern Jesu zu machen (vergleiche), und weil Donald Trumps Regierung sich besonders auf die Evangelikalen stützt, gibt es einmal pro Woche eine Bibelstunde auf höchster Ebene.

In die Kritik geraten ist nun ein Newsletter Drollingers, der Raum für Spekulationen lässt. Gibt er die Schuld am Coronavirus den „Ungläubigen?“, den Atheisten oder gar Homosexuellen? Dazu werfen wir einen Blick in den besagten Newsletter (hier) und schauen auch auf die evangelikale Theologie.

Römerbrief

Eine These wäre beispielsweise, dass Drollinger in der Homosexualität die Schuld sieht. Das liegt durchaus nahe, wenn man evangelikale Positionen kennt. Ein Blick in den Newsletter zeigt:

Auf Seite 4 im Bereich C stellt Ralph Drollinger seine Anmerkungen zu Röm 1,18-32 vor. Diese Stelle des von Paulus geschriebenen Römerbriefs ist für Evangelikale einer der klarsten Beweise, dass Gott Homosexualität ablehnt. So heißt es zum Beispiel in den Versen 26 und 27:

„Darum hat sie Gott dahingegeben in schändliche Leidenschaften; denn bei ihnen haben Frauen den natürlichen Verkehr vertauscht mit dem widernatürlichen; desgleichen haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen und sind in Begierde zueinander entbrannt und haben Männer mit Männern Schande über sich gebracht und den Lohn für ihre Verirrung, wie es ja sein musste, an sich selbst empfangen.“

Nachdem Drollinger dann weitere Bibelstellen evangelikal (also wortwörtlich) interpretiert und sich mit der Frage nach der Strafe Gottes auseinandersetzt, kommt er auf Seite 7 unter Punkt VII zu dem Schluss:

„Amerika ist nicht vergleichbar mit Sodom und Gomorrha, weil es dort keine Gläubigen zu finden gab (Gen 18,22-33). Im Gegenteil, Amerika wird heute von zig Millionen gläubiger Christusnachfolger bewohnt. […] Tatsächlich zeigt sich das heutige Amerika nicht als ein Land, dessen Bewohner in der Mehrheit ungläubig gegenüber Gottes Geboten sind. Im Umkehrschluss ist es nur eine kleine Minderheit von Menschen, die grob fahrlässig Gott gegenüber ungehorsam ist, Menschen, auf die die fünf Hinweise aus Röm 1 zutreffen. Bedauerlicherweise für die große Mehrheit der gläubigen Menschen in Amerika ist zuvielen der Ungläubigen von den Gläubigen gestattet worden, hohe Positionen mit Einfluss auf unsere Kultur zu nehmen; hohe Positionen in Regierung, unserem Bildungssystem, unseren Medien und unserer Unterhaltungsindustrie. Das ist tragisch, bedauerlich und kostspielig.“  [Übersetzt]

An dieser Stelle wird es spannend: Drollinger nennt keine Gruppe von Menschen explizit, sondern lässt einen Interpretationsspielraum offen, in dem man sich die Frage stellen kann, wer diese „kleine Minderheit“ eigentlich ist, die sich Gottes Geboten gegenüber grob fahrlässig verhält.

Drollinger bietet Interpretationsspielraum

Nach evangelikalem Verständnis können damit viele Gruppen gemeint sein: Homosexuelle, Atheisten, Kommunisten, ja sogar Katholiken. Das evangelikale Spektrum ist in dieser Frage weit gefasst, und auch Ralph Drollinger lässt diese Frage offen.

Außerdem fällt noch etwas auf: im gesamten Text des Newsletters taucht das Wort „Corona“ oder „Covid 19“ nicht ein einziges Mal direkt auf, selbst das Wort „Virus“ kann von der Suchfunktion nicht entdeckt werden. Lediglich im ersten Satz auf der ersten Seite gibt Ralph Drollinger einen erneut indirekten Hinweis („Einige führende Evangelikale glauben und lehren, dass Amerika derzeit Gottes Gericht erlebt.“ liest man übersetzt).

Drollinger lässt in seinem Newsletter viel Interpretationsspielraum zu, welcher zu vielen Seiten hin gedeutet werden kann. Daneben bleibt ebenso offen, wie viel Einfluß sein Bibelkreis auf führende US-Politiker hat.

Hinweis!

Wir weisen an dieser Stelle auch auf unsere Kategorie: CORONAVIRUS 2019 nCoV (hier) hin, in der wir alle relevanten Faktenchecks zum Thema Coronavirus auflisten.

Autor: Mathäus Monz
Artikelbild „Drollinger“ von worradirek / Shutterstock.com

 

 

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