Hartnäckig hält sich die Behauptung, dass die COVID-19 Impfstoffe Graphenoxid enthalten sollen. Belege dafür gibt es jedoch keine.

Bereits Anfang August (siehe HIER) berichteten wir über die Behauptung, dass in COVID-19 Impfstoffen Graphenoxid enthalten sein soll. Dies wurde zumindest in einer spanischen Untersuchung behauptet. Es kursiert allerdings auch noch ein Video, in dem eine angebliche ehemalige Pfizer-Mitarbeiterin dies ebenfalls behauptet. Hat sie vielleicht Beweise?

Was ist Graphenoxid?

Dabei handelt es sich um ein einatomiges, kohlenstoffbasierendes Schichtmaterial, das durch die Oxidation von Graphit hergestellt wird. Wenn es chemisch reduziert wird, kann Graphenoxid Graphen bilden, das als „das stärkste, dünnste und leitfähigste Material der Welt“ gilt.

Der Bericht aus Spanien

Dieser kann HIER öffentlich eingesehen werden, stammt vom 28. Juni 2021 und wurde von Pablo Campra Madrid, einem Professor der Universität von Almería (UAL), veröffentlicht. Der Autor erklärt in dem Bericht auf Seite 23, dass die Studie nicht im Auftrag der Universität erstellt wurde.

Auch die Universität selbst distanziert sich deutlich von dem Bericht und den darin enthaltenen falschen Informationen:

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Die Beschreibung der Untersuchung

Auf Seite 3 und Seite 8 des Berichts beschreibt Campra Madrid, dass er Proben aus einem BioNTech/Pfizer-Fläschchen „mit unbekannter Herkunft“ entnommen habe. Das Fläschchen habe er von einem Kurier erhalten.

Rote Flagge: Die Herkunft des Fläschchens, aus dem die Proben stammen, ist nicht nachvollziehbar.

Campra Madrid untersuchte die Proben unter einem Mikroskop und verglich die Bilder der Impfstoff-Flüssigkeit mit anderen Proben. Ihm zufolge ähneln sich die Proben der Impfstoff-Flüssigkeit und Proben von Graphenoxid.

Die spanischen Faktenchecker von maldita.es legten den Bericht und die Fotos mehreren Experten vor, welche sehr ausführlich erläuterten, dass sowohl die Messmethoden, welche Campra Madrid anwandte, nicht geeignet sind, als auch dass der Bildvergleich unsinnig sei, da die Ähnlichkeit auf eine Vielzahl von Materialien zuträfe.

Campra Madrid räumt sogar selbst in der Studie ein, dass die Untersuchung unter dem Mikroskop keinen schlüssigen Beweis liefert – was umso unverständlicher ist, da er in der Überschrift des Berichts impliziert, er habe eindeutig Graphenoxid in den Proben gefunden.

Wer die Untersuchung anforderte

Nun wird es interessant:
Wie bereits oben beschrieben, war nicht ersichtlich, woher das Fläschchen mit dem vermeintlichen Pfizer-Impfstoff stammt. Auf Seite 3 des Berichts schreibt Campra Madrid aber, dass ein gewisser D. Ricardo Delgado Martín eine „Forschungsdienstleistung“ anforderte. Zumindest wäre damit geklärt, wer der Absender des Päckchens mit dem Fläschchen war.

Bei D. Ricardo Delgado Martín handelt es sich um Betreiber des Blogs „La Quinta Columna“. Die Eigenbeschreibung des Blogs: „Aktuelle Nachrichten und die Verbreitung von Themen, die außerhalb der derzeitigen willkürlichen ZENSUR liegen“.

Im spanischen Sprachraum ist der Blog schon desöfteren mit Falschinformationen über COVID-19 aufgefallen (siehe HIER und HIER).

Das Aussehen des Impfstoffs

Jeder, der bereits geimpft wurde, hat sicherlich auch einen Blick auf die Fläschchen mit dem Impfstoff geworfen, es handelt sich um eine weiße bis grauweiße Flüssigkeit.

In einem ausführlichen Tweet-Thread geht Matthew Diasio, ein Congressional Science & Engineering Fellow der American Chemical Society, auf das Aussehen des Impfstoffs ein, da seine Doktorarbeit buchstäblich über Graphen in Flüssigkeiten ging.

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So weist er ausführlich darauf hin, dass Flüssigkeiten, die nur 0,05 Prozent Graphenoxid enthalten, bereits eine dunkelbraune Färbung aufweisen.

Zur Erinnerung: Die Pfizer-Impfstoffe enthalten angeblich 99.9 Prozent Graphenoxide, müssten demnach fast pechschwarz sein!

Die Behauptung, dass die Pfizer-Impfstoffe zu 99,9 Prozent Graphenoxid enthalten, ist somit nicht verifizierbar.

Die angebliche ehemalige Pfizer-Mitarbeiterin

Dieser Behauptung gingen die Kollegen von „Correctiv“ nach. Die Frau heißt Karen Kingston, laut eigenen Angaben sei sie Analystin in der Pharma- und Medizinprodukte-Industrie. Laut ihrer Homepage war sie „eine der leistungsstärksten Vertriebsmitarbeiterinnen in New York für Pfizer und wurde schnell für die Marketingseite des Unternehmens rekrutiert, wo sie eine wesentliche Rolle beim Relaunch von VIAGRA spielte“.

Am 28. Juli sagte Kingston in der „Stew Peters Show“, sie habe unwiderlegbare Informationen, dass Graphenoxid in den Impfstoffen enthalten sei, dies sei aber ein Geschäftsgeheimnis und würde deshalb in keinen offiziellen Dokumenten stehen.

Die Patentanmeldung

In dem Video der „Stew Peters Show“ wird auch ein Beweis gezeigt: Eine Patentanmeldung mit dem Titel „Rekombinanter Nano-Coronavirus-Impfstoff mit Graphenoxid als Träger“.

Screenshot aus dem Video
Screenshot aus dem Video, Quelle: Red Voice Media

Dieses Patent existiert tatsächlich und ist HIER einsehbar. Allerdings steht das Patent zum jetzigen Zeitpunkt immer noch auf „Pending“, also ausstehend, unerledigt. Sprich: Das Patent findet noch gar keine Anwendung.

Das Patent wird noch gar nicht angewendet
Das Patent wird noch gar nicht angewendet, Quelle: Google Patents

Das Shanghai National Engineering Research Center for Nanotechnology, welche das Patent beantragten, veröffentlichte über die Jiao Tong University im Oktober 2020 erste Ergebnisse seiner Forschung an Impfstoffkandidaten, die Graphenoxid enthalten, jedoch wurden diese nur an Mäusen getestet.

Pfizer und die chinesischen Unternehmen

Karen Kingston behauptet an dem Video auch, dass Pfizer einige Inhaltsstoffe ihres Impfstoffes von dem chinesischen Unternehmen „Sinopeg“ beziehe, welches an der Verwendung von Graphenoxid in Impfstoffen arbeite.

Tatsächlich findet sich ein Zusammenhang von „Sinopeg“ mit Graphenoxid: Allerdings nicht im Zusammenhang mit Impfstoffen, sondern um das Speichern von Wärme-Energie mithilfe von Graphen bzw. Graphenoxid (siehe HIER und HIER).

Reuters“ fragte bei „Sinopeg“ bezüglich des oben verlinkten Artikels und der Studie an, doch das Unternehmen verneinte, dass das in der Studie erwähnte Graphenoxid etwas mit den COVID-19 Impfstoffen zu tun habe – was ohnehin keinen Sinn ergäbe, da es bei der Studie um energiespeichernde polymere Dielektrika ging, nicht um Graphenoxid als Bestandteil von Impfstoffen.

Warum überhaupt Graphenoxid in Impfstoffen?

Es gibt experimentelle Studien darüber, Graphenoxid als potenzieller Trägerstoff in Impfstoffen einzusetzen (siehe HIER) oder sogar bei der Bekämpfung gegen Krebs einzusetzen (siehe HIER), doch von einer praktischen Anwendung ist diese Methode noch sehr weit entfernt, geschweige denn von einer Anwendung in den COVID-19 Impfstoffen.

Fazit

Sowohl die Behauptungen in der Studie aus Spanien, als auch die Behauptungen der angeblichen ehemaligen Mitarbeiterin von Pfizer sind wissenschaftlich nicht haltbar und/oder beruhen auf irreführenden Informationen.


Weitere Quelle: Correctiv

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