Auf Webseiten und sozialen Netzwerken kursieren Listen von Sportlern, die alle nach einer Impfung einen Herzstillstand erlitten haben sollen.

In einigen der Beträge wird auch behauptet, dass die Herzstillstände bei Sportlern sogar um den Faktor 50 angestiegen seien, was immer auf die COVID-19 Impfungen zurückgeführt wird. Die jeweiligen Listen sind sogar teilweise akkurat und mit entsprechenden Links versehen, doch stellenweise auch nicht nur irreführend, sondern widersprechen auch nicht der Statistik.

Hier auszugsweise ein Screenshot eines der kursierenden Listen:

Auszugsweise Liste der Sportler
Auszugsweise Liste der Sportler

In anderen Beiträgen werden auch manche Fälle herausgegriffen und korrekt verlinkt. Man kann also aufgrund der Liste tatsächlich den Eindruck bekommen, dass mehr Sportler als üblich Herzprobleme haben – unbewiesen, aber behauptet: Aufgrund der Impfungen.

Ungereimtheiten in den Listen

Die verschiedenen Listen variieren mal mehr, mal weniger stark, da sich viele Nutzer anscheinend nach der Behauptung im Juni, der Fußballer Christian Eriksens sei nach einer Impfung auf dem Spielfeld kollabiert, auf die Suche nach weiteren Sportlern machten und fündig wurden – allerdings war Eriksens zu dem Zeitpunkt noch gar nicht geimpft (wir berichteten HIER und HIER).

Sowohl die Kollegen von Correctiv als auch von AFP nahmen die Listen unter die Lupe und kamen zu folgenden Erkenntnissen:

  • Kein verlinkter Artikel erwähnt, ob ein Zusammenhang mit der Impfung besteht
  • Kein verlinkter Artikel erwähnt, ob die Personen geimpft waren
  • Ein Fall (Gifhorner Amateurspieler Marvin Schumann, brach beim Aufwärmen zusammen) geschah im November 2020, als es noch gar keine Impfungen gab
  • Mehrere Trainer waren im Alter von 50 – 74 Jahren und erlitten Herzinfarkte, wobei aber Herz-/Kreis­lauferkrankungen die häufigste Todesursache in Deutschland sind (34 %)
  • Teilweise handelt es sich „nur“ um Zusammenbrüche ohne Zusammenhang zu Herz-Notfällen
  • Nur in einem Fall lag eindeutig eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis) vor, was sowohl eine sehr seltene Nebenwirkung einer Impfung, aber auch die Folge einer COVID-19 Erkrankung sein kann

Was die offizielle Statistik sagt

Seit 2014 führt die FIFA in weltweites Register, das prospektiv plötzliche Todesfälle im Fußball erfasst (siehe HIER). Statistisch gesehen erhöht Wettkampfsport das Risiko eines plötzlichen Herztodes um das 3- bis 4-fache, da extreme körperliche Belastung einen Trigger für gefährliche Herzrhythmusstörungen bei Menschen mit verborgenen kardiovaskulären Erkrankungen darstellt, so die FIFA.

Die AFP wandte sich bezüglich einer der Listen mit 29 Sportlern an Dr. Florian Egger, der das Register in Kooperation mit der FIFA führt. Al Quelle dienen dem Register nicht nur Nachrichtenberichte, sondern auch Arztbriefe, Todesbescheinigungen und Autopsieberichte, somit sind dort die Todesursachen weitaus genauer dokumentiert.

Demnach gab es bei 22 der 29 Fälle tatsächlich entweder einen überlebten, plötzlichen Herzstillstand oder einen plötzlichen Herztod, bei den restlichen 7 Fällen waren die Gründe für den Zusammenbruch nicht spezifiziert.

Die Fälle von 2021 seien noch nicht vollständig in das Register aufgenommen und überprüft, aber zum jetzigen Zeitpunkt kann Egger schonmal klarstellen, dass die Liste nicht von der Statistik abweicht:

„Nimmt man die auf Facebook verbreitete Liste als Grundlage für 2021, wären das in Abgleich mit unseren aktuell erfassten bereinigten Daten 14 SCA/SCD-Fälle bei Fußballern bzw. 19 Fälle inklusive Schiedsrichtern und Trainern in den vergangenen vier Monaten.

Selbst wenn wir diese beiden Zahlen auf das gesamte Jahr 2021 hochrechnen, wären das aktuell noch immer weniger Herz-Notfälle im Fußball als im Prä-Corona-Jahr 2018.

Die Behauptung, dass da eine Dynamik drin steckt, lässt sich aus unseren Daten sowie anderen internationalen Registerstudien nicht ableiten. Es wird unter Fußballerinnen und Fußballern nicht mehr gestorben als vor der COVID-19 Pandemie.“

Auch den Vergleich einer der Beiträge mit einem Spiegel-Artikel, wonach rein rechnerisch die Herzstillstände bei Sportlern um den Faktor 50 gestiegen wären, hält Egger für unsinnig, da dort eine unvollständige und nicht repräsentative Liste mit einer anderen Liste, deren Methodik völlig unklar ist, verglichen wird.

Fazit

Die Gefahr von Herzstillständen ist für Sportler erhöht, doch die verbreiteten Listen machen einen Fehler: Sie führen keinen Vergleich mit Listen vergangener Jahre, einzig ein Spiegel-Artikel wird zum Vergleich herangezogen, der jedoch keinesfalls ein Gesamtbild ergibt und nur schlecht mit Listen anderer Jahre verglichen werden kann.

Laut der von der FIFA offiziell geführten Liste, die weltweit Fälle von Herzstillständen erfasst, ist die Anzahl der Herzstillstände jedoch nicht signifikant höher als in anderen Jahren, eine statistische Abweichung ist nicht erkennbar.

Auch Paul-Ehrlich-Institut (PEI) weist im aktuellen Sicherheitsbericht (PDF-Datei) zu den Nebenwirkungen aller Covid-Impfungen darauf hin, dass Herzinfarkte kein Signal für alle vier Impfstoffe ergab. Übereinstimmend auch das österreichische Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG), welches bis zum 24. September 2021 keine Herzinfarkte im „Bericht über Meldungen vermuteter Nebenwirkungen (PDF-Datei) nach Impfungen zum Schutz vor COVID-19″ als Nebenwirkungen aufführt.

Herzmuskelentzündungen sind als Nebenwirkungen aber sehr wohl bekannt, jedoch nur äußerst selten. Bei Sportlern ist auch häufig das Problem, dass sie zwar insgesamt gesünder sind, Herzerkrankungen im Frühstadium aber oftmals nicht bemerkt werden, weswegen die Forscher Domenico Corrado und Alessandro Zorzi bereits 2007 forderten, EKG-Screenings für Sportler einzuführen, um unentdeckte Herzerkrankungen frühzeitig zu erkennen.

Die kursierenden Listen sind somit kein Beweis, dass nach den Impfungen plötzlich mehr Sportler einen Herzstillstand erleiden.


Quellen: AFP, Correctiv, PolitiFact

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