Wie Profis Nachrichten verifizieren und Fälschungen enttarnen

Die schlechte Nachricht: Nie zuvor gab es so viele Hoaxes und Falschmeldungen wie heute – von irren Gerüchten bei Facebook bis hin zu professionell inszenierte Fakes. Immer wieder fallen Medien auf Fälschungen rein. Aber die gute Nachricht: Die meisten Enten sind mit dem entsprechenden Know-How und diversen Online-Tools leicht zu erlegen. Heute stelle ich Ihnen die besten Verification-Strategien für Fotos und Videos vor.

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Oliver Klein, Mimikama-Gastautor

Woher stammt ein bestimmtes Foto oder Video? Wer hat die Aufnahme wann und wo gemacht? Wurde etwas manipuliert? Foto- oder Video-Rückwärtssuche, Exif-Daten und Tools wie Fotoforensic können helfen, diese Fragen zu beantworten. Aber der Reihe nach:


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Erste Maßnahme: Rückwärtssuche

Woher stammt ein Foto oder ein Video, das einen angeblichen Skandal oder eine unglaubliche Geschichte beweisen soll? Wie lange steht es schon im Netz? Oft lässt sich mit einer einfachen Bilder-Rückwärtssuche bereits beweisen, dass ein Foto in einem anderen Zusammenhang als dem behaupteten steht oder älter ist als angegeben. Erste Anlaufstelle: Die Bilder-Suche von Google. Klickt man auf das Kamera-Symbol im Suchfenster, lässt sich ein beliebiges Foto hochladen oder die URL eines Fotos eingeben. Google errechnet einen digitalen Fingerabdruck des Bildes und gleicht ihn mit Millionen anderer bereits bekannter Bilder ab – in den Suchergebnissen erscheinen Seiten, die das Bild ebenfalls enthalten. Die Suchmaschine Tineye oder die Meta-Suchmaschine erfüllen denselben Zweck, bringen aber meist weniger Resultate.

Zuletzt konnte mimikama mit dieser Strategie am Karfreitag beweisen, dass ein Foto aus Tschechien mit angeblichen Flüchtlingen, die im Bahnhof von Eger einen Zug besetzen, eine Fälschung ist.

Grundsätzlich funktioniert eine Rückwärtssuche auch bei Videos, allerdings braucht man dafür Screenshots bzw. Standbilder. Der Youtube-Dataviewer von Amnesty International lässt eine solche Rückwärtssuche automatisiert für Youtube-Videos zu: Einfach eine Video-Adresse eingeben und die Vorschaubilder sind mit der Google-Bilderrückwärtssuche verknüpft.

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Verräterrische Exif-Daten

Viele Bilder verraten mehr als wir auf den ersten Blick erkennen – wer hat wann ein Foto wo gemacht, mit welcher Kamera, wurde das Bild nachträglich bearbeitet? Solche Informationen verraten die sogenannten „Exif-Daten“. Klingt furchtbar technisch („Exchangeable Image File Format“) die Daten lassen sich aber kinderleicht mit Tools wie „Jeffrey’s Exif Viewer“ anzeigen. Achtung: Nicht alle Fotos enthalten spannende Exif-Daten, insbesondere Soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter und auch viele Newsportale löschen solche Informationen standardmäßig bei der Veröffentlichung.

Aber eben nicht immer! Was man mit solchen Daten alles ausrichten bzw. anrichten kann, zeigt folgender Fall: Ausgerechnet dem Computergenie John McAfee waren 2012 Exif-Daten zum Verhängnis geworden. McAfee, in einem Mordfall als Zeuge gesucht, war untergetaucht und ließ sich in seinem Versteck in Guatemala von Journalisten des kanadischen Online-Magazins Vice interviewen. Der Reporter knipste ihn mit seinem iPhone, Vice stellte das Foto ins Internet – samt GPS-Daten, die McAfees Versteck verrieten.

Bildmanipulationen entlarven

Eins der spannendsten Verification-Tools für Bilder: Fotoforensic.com. Ist das vorliegende Foto das Original? Wurde es verändert, wurden Einzelteile hinzugefügt oder wegretuschiert? Einfach ein Foto hochladen und Fotoforensics untersucht es mittels „Error-Level-Analysis“ (ELA). Bildanteile, die möglicherweise manipuliert wurden, erscheinen heller oder dunkler.

Plausibilität prüfen

Kann ein Foto oder ein Video zum angegebenen Zeitpunkt am angegebenen Ort gemacht worden sein? Mit solchen Fragen beschäftigen sich vor allem Journalisten, die Bildmaterial von unbekannten Quellen, oft aus Sozialen Netzwerken auswerten müssen, insbesondere aus Krisengebieten. Abgesehen von der Quellenprüfung (dazu mehr in meinem nächsten Beitrag), hier nur zwei der wichtigsten Strategien: Um den Ort eines Fotos oder Videos zu verifizieren, ist es bei Außenaufnahmen regelmäßig möglich, via Google Earth bzw. Google Maps Gebäude, Straßen, Landschaftsmerkmale etc. abzugleichen. Dabei hilft die Satelliten-Ansicht, außerdem natürlich die Aufnahmen von Streetview und die Fotos, die man bei Google Maps unter „Bilder anzeigen“ sichtbar machen kann. Zusätzlich lassen sich Vergleichsfotos mit Geodaten bei Picasa, Twitter und Flickr mit der erweiterten Suche finden.

Auch die Frage, ob der Aufnahmezeitpunkt stimmen kann, lässt sich mit ein paar einfachen Tricks überprüfen: Zu den meisten Ereignissen lassen sich in Sozialen Netzwerken mit der entsprechenden Hashtag-Suche und ggf. mit einer Datumseingrenzung (z.B. bei Twitter) weitere Foto- oder Filmaufnahmen finden. Und: Die Suchmaschine Wolfram Alpha stellt historische Wetterdaten zur Verfügung – einfach einen Ort, ein Datum und das Stichwort „Wetter“ eingeben. So lässt sich dann beispielsweise feststellen, dass das Foto mit dem wolkenlosen Himmel nicht zu dem angegebenen Zeitpunkt gemacht worden sein kann – weil es an dem selben Ort den ganzen Tag aus Kübeln schüttete.

In meinem nächsten Beitrag: Die besten Strategien zum Thema Verification von Accounts in Sozialen Netzwerken.

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Oliver Klein, Mimikama-Gastautor
Redakteur und Rechercheexperte Klein gibt Seminare für Journalisten und Ermittler zum Thema investigative Online-Recherche; eins der wichtigsten Themen ist natürlich Verifikation (neben Google-Tricks, Graph-Search, Umkreissuche in Sozialen Netzwerken usw.). Mehr über seine Arbeit gibt es auf http://rechercheseminar.de


Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.
2) Einzelne Beiträge entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)


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