„Es war einmal…“. So sollten viele Artikel der Reichsbürgerbewegung beginnen. Denn wieder einmal wird aufgrund eines Leserkommentars auf einem Blog ein Märchen erzählt, wonach es gar keine Anmeldepflicht für Kraftfahrzeuge gibt.

Schauen wir doch mal, welche „Fakten“ uns die Reichsbrüder Grimm diesmal weismachen wollen…

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„Keine Anmeldepflicht für Kfz!
Haben Sie ein Kraftfahrzeug und fahren damit durch die Gegend? Dann haben Sie das sicher bei der Firma „Straßenverkehrsamt“ angemeldet, weil Ihnen ja immer gesagt wurde, dass man das ja machen muss.“

Bei der Einleitung des Artikels auf dem Blog „News Top-Aktuell“ kann man schon ahnen, worum es geht, wenn das Straßenverkehrsamt als „Firma“ bezeichnet wird.

Prinzipiell wird von Reichsbürgern alles, inklusive der Bundesrepublik Deutschland, als Firma bezeichnet, auch wenn diese Institutionen nicht mal im Entferntesten die Voraussetzungen für eine Firma haben, aber das ist ein Thema für sich.

Überspringen wir mal die Einleitung und kommen zum Kernpunkt des Artikels: „der Originalkommentar eines Lesers“, welcher anscheinend für die Verfasser des Blogs so überzeugend war, dass sie daraus einen eigenen Artikel machten. Aber wie überzeugend ist er wirklich? Wir schauen uns das Märchen die sicherlich wahre Geschichte mal an:

Es war einmal…

„Ich weiß, dass seit dem Putsch im Oktober 1918 hier in unserem Deutschen Lande nichts mehr gilt, keine Gesetze und alles nur noch Firmen sind, als sich ein Scheidemann auf den Balkon stellte und eine Republik ausgerufen hat – übrigens ein Angestellter der Firma SPD und ohne jegliche Legitimation des Deutschen Volkes.“

Im Jahre 1918 gab es in Deutschland einen politischen Zusammenbruch aufgrund der Niederlage im Ersten Weltkrieg. Dadurch kam es am 28. Oktober 1918 zu einer Verfassungsreform, der sogenannten „Oktoberverfassung“, wodurch Deutschland kurzzeitig eine parlamentarische Monarchie war, welche jedoch praktisch nie umgesetzt wurde. Im Januar 1919 kam es dann zur Wahl der „Verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung“, am 14. August 1919 tritt schließlich die Verfassung in Kraft, welches den Beginn der „Weimarer Republik“ bezeichnet.

Somit haben wir gleich am Anfang bereits einen groben Fehler: Es wurde mitnichten alle Gesetze abgeschafft, und „alles sind nur noch Firmen“ ist, wie oben erwähnt, eine beliebte Redewendung, wenn man keine Ahnung von Geschichte oder Gesetzen hat.

Nun geht es aber mit dem Kernpunkt des Märchens los:

Demnach wollte jene Person wohl „jene ungültigen Gesetze gegen die BRD verwenden“, meldete sein Auto ab, entfernte die Nummernschilder und fuhr nun solange herum, bis er schließlich in eine Polizeikontrolle geriet und vor Gericht erscheinen sollte.

Wir überspringen hier auch mal die Passagen, wie sich der unbekannte Kommentator mit dem Richter („der mit der schwarzen Kutte“) und dem Staatsanwalt („Anwalt eines unbekannten „Staates““) über seine Staatsangehörigkeit kabbelt und kommen zum Wesentlichen:

Es wird märchenhaft

Konkret wurde der Kommentator angeklagt, gegen § 1 des Pflichtversicherungsgesetzes verstoßen zu haben, wonach jeder Halter eines Fahrzeuges in Deutschland eine Haftpflichtversicherung haben muss. Der Kommentator erwidert nun mit dem § 2 des Pflichtversicherungsgesetzes, wonach § 1 nicht für die Bundesrepublik Deutschland, die Länder, die Gemeinden etc. gelten würde. Somit würde der zweite Paragraph den Ersten aushebeln, er sei folglich nicht zu belangen.

Lt. dem Kommentator war der Staatsanwalt vorher schon durch die wahnsinnig klugen Einwände verwirrt („Er fing an zu stottern und wurde ganz bleich im Gesicht und sagte: wie meinen sie das?“), nun aber brachte er das Gericht durch seinen raffinierten Einwand wohl vollends außer Fassung.

„Auf einmal hieß es: wir machen erstmal eine Pause.

Dann gings weiter und der mit der schwarzen Kutte sagte gleich: Verfahren eingestellt und wollte das Urteil sprechen.“

Schlussendlich soll der Kommentator einfach aus dem Gericht spaziert sein, aber nicht, ohne vorher darauf hinzuweisen, dass die Bundesrepublik Deutschland aus der Staatenliste der Vereinten Nationen gelöscht sei, es dadurch gar kein deutsches Volk oder Staat geben würde und er nicht bleiben könne, da er sich sonst womöglich wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung strafbar machen würde.

Hatte er etwa recht?

Ist es tatsächlich so, dass dank § 2 des Pflichtversicherungsgesetzes niemand sein KFZ anmelden muss, da er ja angeblich § 1 aufhebt? Würde ein Gericht dieses Argument gelten lassen?

Ganz sicher nicht!

Und warum wir dieses Märchen nicht glauben, begründen wir mal hier, dazu werfen wir mal einen genaueren Blick auf den zweiten Paragraphen.

(1) § 1 gilt nicht für
1. die Bundesrepublik Deutschland

An dieser Stelle jubeln die Reichsbürger bereits… und machen den gleichen Fehler, den sie immer machen: Sie lesen nicht weiter!

2. die Länder
3. Die Gemeinden mit mehr als einhunderttausend Einwohnern
(…)

Wir haben also eine Aufzählung aller Institutionen, für die § 1 nicht gilt. Schauen wir doch mal, was da noch steht:

„(2) Die nach Absatz 1 Nrn. 1 bis 5 von der Versicherungspflicht befreiten Fahrzeughalter haben, sofern nicht auf Grund einer von ihnen abgeschlossenen und den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechenden Versicherung Haftpflichtversicherungsschutz gewährt wird, bei Schäden der in § 1 bezeichneten Art für den Fahrer und die übrigen Personen, die durch eine auf Grund dieses Gesetzes abgeschlossene Haftpflichtversicherung Deckung erhalten würden, in gleicher Weise und in gleichem Umfang einzutreten wie ein Versicherer bei Bestehen einer solchen Haftpflichtversicherung.“

Kurz gesagt: Die im (1) genannten Institutionen sind der Bund und Gebietskörperschaften. Diese müssen tatsächlich keine Haftpflichtversicherung abschließen (können dies aber, wenn sie wollen). Die einzigen natürlichen Personen in dieser Aufzählung finden sich in Punkt 6:

6. Halter von

a) Kraftfahrzeugen, deren durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit sechs Kilometer je Stunde nicht übersteigt,

b) selbstfahrenden Arbeitsmaschinen und Staplern im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a der Fahrzeug-Zulassungsverordnung, deren Höchstgeschwindigkeit 20 Kilometer je Stunde nicht übersteigt, wenn sie den Vorschriften über das Zulassungsverfahren nicht unterliegen,

c) Anhängern, die den Vorschriften über das Zulassungsverfahren nicht unterliegen.

Ein normales KFZ fällt weder unter a noch b oder c. Auch war der Kommentator sicher nicht die Bundesrepublik Deutschland, ein Land oder eine Gemeinde, weder eine juristische Person noch eine Gebietskörperschaft.

Somit findet § 2 des Pflichtversicherungsgesetzes überhaupt keine Anwendung!

Fassen wir zusammen

Auf einem Blog wird uns ein Leserkommentar aufgetischt, der im Grunde nichts weiter ist, als ein schönes Märchen. Ganz abgesehen davon, dass er bereits mit seiner Einleitung tief ins Fettnäpfchen der Unwissenheit tappte, so behauptet er auch allen Ernstes, dass ein Richter und ein Staatsanwalt nicht den Inhalt und die Bedeutung des zweiten Paragraphen des Pflichtversicherungsgesetzes kennen würden, ihn aufgrund seiner klugen Argumentation freigesprochen haben.

Wahrscheinlicher ist es eher, dass das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt wurde, es aber zumindest zu einer Geldstrafe (auf Bewährung) wegen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung und das Pflichtversicherungsgesetz gekommen ist (die natürlich vom Verfasser nicht erwähnt wird).

Die Argumentation, welcher der unbekannte Kommentator jedoch vortrug, dürfte keinen Richter oder Staatsanwalt blass werden lassen.

Eher vermuten wir eine leichte Röte im Gesicht, weil sie sich das Lachen so verkneifen mussten.

Autor: Ralf, mimikama.org

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