COVID-19-Impfstoffe verursachen kein AIDS!

Angeblich habe die deutsche Regierung zugegeben, dass eine alarmierende Zahl von geimpften Menschen AIDS-ähnliche Symptome entwickele. Die Behauptung beruht jedoch auf falschen Zahlen und Berechnungen.

Autor: Ralf Nowotny

Die Behauptung

Angeblich habe die deutsche Regierung zugegeben, dass eine alarmierende Zahl von geimpften Menschen AIDS-ähnliche Symptome entwickele.

Unser Fazit

Die Behauptung beruht auf einer fehlerhaften Berechnung der Wirksamkeit des Impfstoffs, die falsche Werte als Grundlage nimmt, und der falschen Behauptung, dass die Immunreaktion auf Corona-Impfstoffe die Reaktion des Immunsystems auf andere Krankheiten beeinflusse.

Seit Verabreichung der ersten COVID-19-Impfstoffe wird bereits behauptet, dass sie das Immunsystem extrem schwächen und deshalb AIDS-ähnliche Symptome auslösen würden. Die Aussage wird auch oftmals so weit verkürzt, dass direkt von AIDS als Folge der Impfungen gesprochen wird. Die neueste, kursierende Begründung für die Behauptung beruht jedoch auf falsche Zahlen vom Januar 2022, die korrigiert wurden, und einer noch falscheren Rechnung.

Die Behauptung

In deutschsprachigen Tweets ist desöfteren zu lesen, dass die COVID-19-Impfstoffe eine Immunschwäche auslösen könnten, dort wird dies aber nicht weiter begründet. In englischsprachigen Tweets wird jedoch auf der Grundlage zweier Artikel sogar behauptet, die deutsche Bundesregierung habe AIDS als Folge der Impfungen sogar zugegeben.

MIMIKAMA
Die Falschbehauptung in englischen Meiden, Quellen: News Punch und The Exposé

Beide Seiten schreiben direkt in der Überschrift bereits, dass Geimpfte AIDS bzw. ein erworbenes Immunschwäche-Syndrom entwickeln würden, was die deutsche Regierung sogar bestätigen würden – mit dem kleinen Problem, dass hierzulande irgendwie niemand davon weiß (und nein, das liegt nicht an einer großen Vertuschung).

Im Prinzip handelt es sich auch nur um einen Artikel, denn der Artikel auf „News Punch“, einer notorischen Falschnachrichten-„Fabrik“, über deren Fakes wir schon häufig berichteten, beruht auf dem Artikel auf „The Exposé“, einer britischen Seite für Verschwörungsmythiker, die im November 2020 von dem Mechaniker Jonny Allen-Walker erstellt wurde. Bekannt ist sie dafür, zwar offizielle Daten für die Artikel zu verwenden, diese aber vollkommen missinterpretiert und verdreht – so wie auch in dem jetzigen Fall.

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Die Begründung

Tatsächlich verwendet „The Exposé“ also offizielle Daten, und in diesem Fall welche, die im Januar 2022 hierzulande für einigen Aufruhr sorgten, denn ein Wochenbericht des RKI soll den Beweis geliefert haben, dass Ungeimpfte weitaus besser gegen die Omikron-Variante geschützt seien als Geimpfte.

In jenem Wochenbericht vom 30. Dezember 2021 (archiviert HIER) stand tatsächlich kurzzeitig auf Seite 14:

„186 Patientinnen und Patienten waren ungeimpft, 4.020 waren vollständig geimpft, von diesen wurde für 1.137 eine Auffrischimpfung angegeben. Auf Basis der übermittelten Daten wurden unter allen übermittelten Omikron-Infektionen 148 Reinfektionen ermittelt, zu keiner der von Reinfektion betroffenen Person wurden Vorerkrankungen übermittelt.“

Quelle: RKI, archivierte Datei

Die Zahlen waren jedoch nicht stimmig, was auch dem RKI auffiel: Am 3. Januar 2022 wurde die Zahl der Ungeimpften korrigiert, am 5. Januar auch eine Tabelle in dem Dokument, worauf auch in der korrigierten Version (siehe HIER) hingewiesen wird:

MIMIKAMA
Die Korrektur des RKI in dem Wochenbericht

„Korrektur: Auf S. 14 wurde die Zahl der Ungeimpften unter den gemeldeten Omikronfällen am 03.01.2022 korrigiert (vorher: 186; nachher: 1.097). Am 05.01.2022 wurde in Tabelle 3 Anzahl und Anteil von Delta und Omikron korrigiert.“

Die Zahlen wurden also innerhalb weniger Tage korrigiert und passen auch zu sämtlichen Angaben in dem entsprechenden Wochenbericht, sowie in den Wochenberichten davor und danach – trotzdem wurden für die aktuellen Artikel die falschen Zahlen als Berechnungsgrundlagen genommen!

Daraus ergeben sich dann auch ganz andere prozentuale Werte, wie wir damals in einem Artikel ausführten und mit Beispielen verdeutlichten, dass es aus den vorliegenden Zahlen kaum möglich ist, Rückschlüsse auf die Impfwirksamkeit zu schließen und sämtliche Behauptungen dazu sehr spekulativ waren.

Auch mit den korrekten Daten wären die Artikel falsch!

Um den Anteil der Ungeimpften und Geimpften unter den COVID-19-Fällen zu vergleichen, muss man den Anteil der Geimpften und Ungeimpften in der Bevölkerung berücksichtigen. Wenn es viel mehr geimpfte Menschen in der Bevölkerung gibt, ist zu erwarten, dass es mehr geimpfte Menschen unter den COVID-19-Fällen gibt, denn Impfstoffe sind nicht zu 100 % wirksam. Und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts waren mehr als 70 % der Bevölkerung in Deutschland vollständig geimpft.

Beispiel eines der Rechenfehler:
Um die Häufigkeit von COVID-19 in geimpften und ungeimpften Gruppen zu berechnen, wird in den Artikeln das Verhältnis zwischen der Anzahl der Fälle bei geimpften (oder ungeimpften) Menschen und dem Prozentsatz der Menschen in Deutschland mit dem jeweiligen Impfstatus verwendet.

„Die Ungeimpften hatten 186 Fälle bei 26,5% der Bevölkerung […] die Vollgeimpften hatten 4020 Fälle bei 70,53% der Bevölkerung. Die Häufigkeit der geimpften Omikron-Fälle lag also bei 57 pro 1 Prozent der Bevölkerung […] die Häufigkeit der ungeimpften Omikron-Fälle betrug nur 7,02 pro 1 Prozent der Bevölkerung.“

Diese Berechnung beruht jedoch auf der Annahme, dass die Merkmale der 6.788 Fälle, für die Informationen zu den Symptomen verfügbar waren, die Merkmale der Allgemeinbevölkerung weitgehend widerspiegeln, obwohl es nicht genügend Informationen gibt, um dies zuverlässig anzunehmen.

Um das Infektionsrisiko berechnen zu können, benötigen wir neben dem Impfstatus zusätzliche Informationen über diese 6.788 COVID-19-Fälle, wie z. B. das Alter dieser Personen. Diese Informationen sind wichtig, weil der Anteil der geimpften und ungeimpften Personen je nach Altersgruppe sehr unterschiedlich sein kann. So sind zum jetzigen Zeitpunkt beispielsweise 90,1 % der über 60-Jährigen geimpft, während die Durchimpfungsrate bei den 12- bis 17-Jährigen bei 74,5 % liegt.

Daher ändert sich das Risiko, je nachdem, ob wir es mit einer überwiegend jugendlichen Bevölkerung mit einer geringeren Durchimpfungsrate (eine kleinere geimpfte Gruppe) oder mit älteren Menschen mit einer höheren Durchimpfungsrate (eine größere geimpfte Gruppe) zu tun haben.

Werden die innewohnenden Unterschiede in der Bevölkerungsgröße nicht berücksichtigt, so führt dies zu dem Irrtum der Basisrate. Die zusätzlichen Informationen, die für die Berechnung erforderlich sind, stehen nicht zur Verfügung, sodass der mathematische Nachweis in den Artikeln nur falsch sein kann.

Der Folgefehler: Die Wirksamkeit des Impfstoffes misst nicht die Stärke des Immunsystems!

Durch die fehlerhafte Berechnung in den Artikeln wird in Folge behauptet, dass geimpfte Menschen an AIDS (erworbenes Immunschwäche-Syndrom) erkranken oder zumindest AIDS-ähnliche Symptome entwickeln. Dies ist jedoch grundlegend schonmal falsch.

AIDS ist eine Infektionskrankheit, die durch das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) verursacht wird und in keinem Zusammenhang mit COVID-19 oder COVID-19-Impfstoffen steht. Diese Behauptung beruht auf der falschen Vorstellung, dass die Wirksamkeit eines Impfstoffs ein Maß für die Stärke des Immunsystems ist, wobei eine geringe oder negative Wirksamkeit des Impfstoffs ein Versagen des Immunsystems bedeute.

Die Wirksamkeit des Impfstoffs wirkt sich auf die Fähigkeit des Immunsystems aus, den Erreger zu bekämpfen, auf den der Impfstoff abzielt, spiegelt aber ansonsten nicht die Fähigkeit des Immunsystems wider, andere Bedrohungen zu bekämpfen. Die Wirksamkeit des COVID-19-Impfstoffs sagt nichts darüber aus, wie gut geimpfte Menschen andere Infektionskrankheiten bekämpfen.

Sprich: Selbst wenn die Berechnungen ein Versagen des Impfstoffes beweisen würden (was sie nicht tun), lässt sich daraus nicht schließen, dass das komplette Immunsystem nun auch gegen andere Krankheiten versagen würde. Jene Behauptung ist vollkommen aus der Luft gegriffen.

So wird in den Artikeln beispielsweise behauptet, dass „der durchschnittliche Deutsche nur noch 12,3 % seines Immunsystems für die Bekämpfung bestimmter Virusklassen und bestimmter Krebsarten“ zur Verfügung habe. Warum? Ist der Rest des Immunsystems mit den COVID-19 Spikes beschäftigt? Denn wenn dem so wäre, würde jeder an COVID-19 Erkrankte ebenfalls diese Immunschwäche aufweisen!

Übersterblichkeit in Deutschland beweist keine Immunschwäche

In den Artikeln wird die Übersterblichkeit in Deutschland im Jahr 2022 als Beweis dargestellt, dass „etwas nicht stimmt und dass die wahren Auswirkungen der Covid-19-Impfungen vollständig verstanden werden müssen“.

Die Übersterblichkeit wird ermittelt, indem man vergleicht, wie viele Menschen auf der Grundlage der Sterblichkeitsrate des Vorjahres voraussichtlich gestorben wären, und wie viele Menschen tatsächlich gestorben sind. In vielen Ländern kam es im Jahr 2022 zu einer gewissen Übersterblichkeit. Insbesondere Deutschland verzeichnete nach den bisherigen Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Jahr 2022 102.500 überzählige Sterbefälle.

In den Artikeln werden jedoch keine Beweise dafür erbracht, dass die COVID-19-Impfung in einem kausalen Zusammenhang mit der Gesamtmortalität steht. Die Behauptung gibt es immer wieder ohne echte Belege, während eine Übersterblichkeit durch COVID-19 recht eindeutig nachweisbar ist.

Zu der Übersterblichkeit 2022 in Deutschland zählten auch noch viele andere Faktoren, z. B. die Hitzewellen im Sommer, indirekte Folgen der COVID-19-Infektion oder die Belastung der Gesundheitssysteme während der Pandemie – sämtliche Fälle auf eine angebliche Immunschwäche von Geimpften zu führen, ist eine sehr starke Vereinfachung und ein falscher Schluss der Artikel.

Eine Studie vom November 2022 zeigt sogar das Gegenteil dessen auf, was in den Artikeln behauptet wird: Demnach gab es in den USA zwischen Juni 2021 und März 2022 eine höhere Übersterblichkeit in den zehn am wenigsten geimpften Staaten als in den zehn am meisten geimpften Staaten.

Dies ist natürlich nicht die einzige Studie dieser Art:

  • Eine CDC-Studie, die den Zeitraum zwischen Dezember 2020 und Juli 2021 untersuchte, kam zu dem Ergebnis, dass geimpfte Personen ein geringeres Sterberisiko in Bezug auf andere Krankheiten als COVID-19 aufwiesen als ungeimpfte Personen.
  • Eine andere Studie mit mehr als 520 000 Personen kam zu einem ähnlichen Ergebnis: Die Gesamtmortalität war in der geimpften Gruppe um 37 % niedriger.

Fazit

Bewertung: FALSCH

Diese Behauptung beruht auf einer fehlerhaften Berechnung der Wirksamkeit des Impfstoffs, bei der ungenaue Informationen verwendet und die mit den Daten verbundenen Vorbehalte nicht berücksichtigt werden, z. B. das Fehlen von Informationen über den Impfstatus der COVID-19-Fälle in dem Bericht.

Darüber hinaus wurde bei dieser Behauptung die Tatsache ignoriert, dass eine durch einen Impfstoff ausgelöste Immunreaktion spezifisch für den Infektionserreger ist, auf den der Impfstoff abzielt, und keinen Einfluss auf die Immunreaktion auf andere Bedrohungen hat.

Artikelbild: Pixabay

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