Gerücht: Chinas Soldaten in Tibet mit Sprengstoff im Helm

Angeblich soll sich in den Helmen von Chinas Soldaten in Tibet nun Sprengstoff und ein Selbstzerstörungsknopf befinden, der auch per Fernsteuerung ausgelöst werden kann. Doch dieses zweifelhafte Gerücht ist bereits zwei Jahre alt und ergibt in vielerlei Hinsicht gar keinen Sinn.

Autor: Ralf Nowotny

Die Behauptung

Angeblich soll sich in den Helmen von Chinas Soldaten in Tibet nun Sprengstoff und ein Selbstzerstörungsknopf befinden, der auch per Fernsteuerung ausgelöst werden kann.

Unser Fazit

Es gibt keinerlei Beweise, dass es Helme mit Sprengsätzen und Selbstzerstörungsknöpfen in China gibt. Alle Quellen gehen zurück auf einen Artikel der „Epoch Times“ vom Januar 2021, die der Falun Gong-Bewegung gehört, welche immer wieder aufgrund ihrer Vergangenheit Falschmeldungen über China streut.

Die Volksbefreiungsarmee (PLA) ist die wichtigste militärische Kraft der Volksrepublik China und der bewaffnete Flügel der Kommunistischen Partei Chinas (CCP). Angeblich seien die Helme der PLA-Soldaten in Tibet nun mit Sprengstoff und einem Selbstzerstörungsknopf ausgestattet – wird zumindest in einem weit verbreiteten Video behauptet.
Doch hinter dem Gerücht steckt die Falun Gong-Bewegung, die in China als „bösartige Sekte“ angesehen wird und die unter anderem hinter der Webseite „Epoch Times“ steckt, welche schon oft durch Falschmeldungen auffiel.

Die Behauptung

Durch einen YouTube-Kanal namens „Facts Matter with Roman Balmakov“ (was ja erst einmal vertrauenswürdig klingt) wird seit kurzem die Behauptung verbreitet:

In dem Video wird behauptet:

„Wussten Sie, dass China seine Soldaten mit Helmen ausstattet, die einen Selbstzerstörungsknopf haben? Lassen Sie mich das wiederholen: Chinesische Soldaten, die in Tibet stationiert sind, werden mit Helmen ausgestattet, die einen Selbstzerstörungsknopf haben. Wenn man den Knopf drückt, explodiert eine Bombe, die in den Helm eingelassen ist, und tötet den Soldaten.“

Der Selbstzerstörungsknopf sei dazu da, damit Soldaten sich selbst damit töten können, bevor sie in Gefangenschaft geraten. Falls sie ihn nicht selbst auslösen oder ein Soldat desertiert, könnte die Bombe im Helm auch von einem Kommandeur per Fernsteuerung ausgelöst werden.

___STEADY_PAYWALL___

Verbreitete Behauptung, nur eine Quelle

Eine einfache Google-Suche nach „china self destruct helmets“ zeigt schnell auf, dass das vorgeblich aktuelle Video gar nicht so aktuell ist: Im Januar 2021, also vor zwei Jahren, tauchte sie erstmals auf diversen Seiten auf, beispielsweise HIER und HIER.

Interessant wird es, wenn man nach den Quellen der jeweiligen Seiten schaut, denn diese führen immer auf einen einzigen Artikel: Dem der „Epoch Times“ vom 11. Januar 2021 (siehe HIER, archiviert HIER). Diese nennt ebenfalls eine Quelle, und zwar eine staatliche chinesische Seite, auf der dies gestanden haben soll.

Der Abschnitt mit den Helmen und dem Selbstzerstörungsknopf soll angeblich später aus dem Artikel gelöscht worden sein. Eine andere chinesische Seite hätte den Text jedoch kopiert, aber auch dieser Artikel verschwand und sei nur noch im Archiv abrufbar.

Das klingt so richtig nach einer Verschwörung, die die „Epoch Times“ augenscheinlich aufgedeckt hat, oder? Will China etwa die Helme mit integrierten Bomben vertuschen? Das wollen wir doch gleich mal überprüfen!

Der Ursprungsartikel

Laut der „Epoch Times“ erschien die Behauptung erstmals am 27.12.2020 in einem Artikel der staatlichen Seite „Beobachter“ (chinesisch: 观察者), wurde allerdings Stunden später gelöscht. Der Artikel findet sich HIER, eine archivierte Version vom 29.12.2020 findet sich HIER.

In dem Artikel wird tatsächlich über modifizierte Helme geschrieben, doch kein Wort über Bomben und Selbstzerstörungsknöpfe darin. Da laut „Epoch Times“ der entsprechende Absatz aber nur Stunden später gelöscht wurde, gibt es keinen Beweis, dass dies dort jemals stand.

Die angebliche Kopie des Artikels

„Epoch Times“ führt jedoch noch eine weitere Quelle an: So soll eine Seite den Artikel vorher noch gesichert haben. Die Seite wurde zwar auch gelöscht, ist aber noch im Archiv zu finden (siehe HIER).

Doch es wird recht schnell offensichtlich, dass es sich um keine Kopie des „Beobachter“-Artikels handelt, sondern nur um eine kurze Einleitung über modifizierte Helme, ergänzt mit der Behauptung, dass sich darin auch Sprengsätze befinden würden.

Interessant dazu noch der Hinweis am Ende des Artikels der Seite „3g.163.com“: „Hinweis: Der obige Inhalt (einschließlich der Bilder und Videos, falls vorhanden) wurde von einem Benutzer von NetEase Hao hochgeladen und gepostet, einer Social-Media-Plattform, die nur Informationsspeicherdienste anbietet.

Es handelt sich damit also, wie sehr viele andere Artikel auf „3g.163.com“, um benutzergenerierten Content, also Nachrichten, die jeder dort reinsetzen kann. Der Wahrheitsgehalt wird dabei nicht geprüft.

Ein weiterer Artikel über die Bombe im Helm

Es findet sich aber noch ein weiterer, auf chinesisch verfasster Artikel über die angeblichen Bomben in den chinesischen Helmen, und zwar augenscheinlich von einer richtigen Nachrichtenseite.

Auf „New Tang Dynasty Television“ (siehe HIER) erschien am 2. Januar 2021 ebenfalls ein Artikel darüber. Dieser verwendet als Quelle den oben erwähnten benutzergenerierten Content von NetEase Hao und schildert einige Reaktionen darauf auf Social Media, die jedoch nicht verlinkt wurden.

Es gibt einen guten Grund, warum das in den USA ansässige „New Tang Dynasty Television“ nicht einfach „Epoch Times“ als Quelle nimmt: Sie möchten nicht unbedingt das bekannte Medium der Falun Gong-Bewegung nennen. Genau genommen möchten sie nicht sich selbst als Quelle nennen, denn „New Tang Dynasty Television“ wurde und wird von der Falun Gong-Bewegung gegründet und betrieben.

Nochmal kurz zurück zu dem YouTube-Video

Oben erwähnten wir ja, dass der Name des Kanals, „Facts Matter with Roman Balmakov“, der das Video vor wenigen Tagen veröffentlichte, doch recht vertrauenswürdig klingt. Das ändert sich aber, wenn man sich weitere Videos des Kanals anschaut und dann schließlich einen Blick auf den Header wirft:

Der Header des YouTube-Kanals
Der Header des YouTube-Kanals

Der YouTube-Kanal, der angeblich Fakten liefert, gehört zu „Epoch Times“, also zu der Falun Gong-Bewegung. Im Video wird also einfach die zwei Jahre alte Behauptung der eigenen Nachrichtenseite noch einmal wiederholt.

Wie sinnvoll sind Bomben in Chinas Helmen?

Werfen wir abschließend noch einmal einen Blick auf die Logik: Ergibt es überhaupt einen Sinn, dass in den Helmen von Chinas Soldaten Bomben mit einem Selbstzerstörungsknopf versteckt sind, die nötigenfalls auch per Fernsteuerung ausgelöst werden können? Nein!

  • Sprengstoff im Helm würde diesen nur unnötig schwer machen. Dies würde den Soldaten also unnötig behindern, die Kampfeffizienz wäre herabgesetzt.
  • Angeblich soll der Helm sogar Systeme zur Anforderung von Artillerie und Luftunterstützung haben (was allerdings nicht im Originalartikel der chinesischen Seite steht!). Die ergibt gar keinen Sinn, da nur die wenigsten Soldaten, erst recht keine Reservekräfte im Westen Chinas, dafür die Befugnis haben dürften.
  • Sprengstoff in einem Helm ist ein Widerspruch in sich und macht den ganzen Nutzen eines Helms überflüssig. Soldaten können unglücklich fallen, Helme können leicht von Kugeln getroffen werden. Die Schutzfunktion eines Helms ist somit eher zu einer Gefahr umgekehrt.
  • Trotz der vielen Artikel über Chinas Helme, die im Endeffekt immer zur Falun Gong-Bewegung führen, gibt es kein einziges Foto oder Schaltplan dieses Helms, kein seriöses Medium berichtet darüber und/oder hat mehr Informationen.
  • Ein Helm ist nicht am Kopf festgewachsen. Auch Soldaten ziehen ihn gelegentlich aus. Warum sollte dann ein Deserteur oder ein gefangener Soldat nicht einfach den Helm ausziehen, bevor er desertiert oder wenn er gefangen wird? Dann wäre die ganze Fernsteuerungsexplosion-Geschichte ad absurdum geführt.

Fazit

Mimikama-Bewertung: UNBEWIESEN

Es gibt keinerlei Beweise, dass es Helme mit Sprengsätzen und Selbstzerstörungsknöpfen in China gibt. Alle Quellen gehen zurück auf einen Artikel der „Epoch Times“ vom Januar 2021, die der Falun Gong-Bewegung gehört, welche immer wieder aufgrund ihrer Vergangenheit Falschmeldungen über China streut.

Man darf China schon viel zutrauen, doch sämtliche Quellen führen immer wieder zu der chinakritischen Falun Gong-Bewegung zurück. Doch in den zwei Jahren, seit die Behauptung zuerst auftauchte, gab es noch keinerlei Beweise oder Berichte von anderen Medien, dass so ein Helm überhaupt existiert.

Auch interessant: Ein Politiker mokiert sich auf Facebook und Telegram darüber, dass in Osnabrück augenscheinlich nun Karussellautos, Matchbox-Autos und Bobbycars verboten werden. Doch tatsächlich verbreitet der selbsternannte Absolvent der „hohen Schule des Lebens“ nur einen alten Satireartikel.
Karussellautos werden nicht in Osnabrück verboten!

Hinweis: Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell
war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur
Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.

MimikamaPLUS-Inhalte