Sind Karotten aus politischen Gründen orange? (Faktencheck)
Sind Karotten aus politischen Gründen orange? (Faktencheck)

Orange ist nicht nur die Müllabfuhr, sondern auch die Karotte. Doch ist sie das aus politischen Gründen?

In einem weit geteilten Facebook-Beitrag wird behauptet, Karotten seien ursprünglich sehr vielfarbig gewesen, doch aus politischen Gründen setzte sich orange als Farbe durch, die anderen Farben sollen „in einer Generation ausgelöscht“ worden sein.

Um diesen Facebook-Beitrag handelt es sich:

Sieht nicht wirklich so aus, als ob Karotten nur orange wären
Sieht nicht wirklich so aus, als ob Karotten nur orange wären

Der Text des Beitrages:

„Karotten sind aus rein politischen Gründen orangefarben. Im 17. Jahrhundert kultivierten niederländische Züchter orangefarbene Karotten als Hommage an Wilhelm von Oranien – der den Kampf für die Unabhängigkeit der Niederlande anführte – und die Farbe blieb hängen! Eine tausendjährige Geschichte von gelben, weißen und violetten Möhren wurde in einer Generation ausgelöscht ????????????????“

Dass gelbe, weiße und violette Möhren bzw. Karotten (einen Unterschied gibt es nicht wirklich) nicht ausgelöscht wurden, beweist eigentlich bereits das Bild in dem Facebook-Beitrag, aber sei’s drum: Tatsächlich sind hierzulande die orangen Karotten vorherrschend.

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Eine (vereinfachte) Zeitreise

Im späten 16. Jahrhundert waren die Niederlande noch eine spanische Kolonie, welche von Madrid aus von Habsburger Monarchen regiert wurden.

Im Jahre 1566 begann jedoch der Niederländische Aufstand, welcher über 80 Jahre dauern sollte. Einer der wichtigsten Anführer des Aufstandes war Wilhelm, Prinz von Oranien.

Wilhelm erlebte nicht mehr mit, wie die selbstverwaltete Niederländische Republik formal anerkannt wurde und somit von Spanien unabhängig war, er wurde ermordet. Doch gilt Wilhelm quasi als Gründervater der Niederlande.

Als die junge Republik später zu einer einheimischen Monarchie wurde, besetzten auch die Nachkommen Wilhelms den Thron – eine Monarchie, die auch heute noch existiert.

Die Sage

Um Wilhelm und das Haus Oranien zu ehren, sollen Bauern damals begonnen haben, speziell orange Karotten zu züchten. Jene Karotten wurden immer beliebter, wurden in alle Welt importiert und sind dadurch nun die „Standardfarbe“ des Gemüses.

Die Wahrheit

Für die Kurzfassung lassen wir einfach mal John Stolarczyk, Kurator des World Carrot Museum, zu Wort kommen, denn der müsste das ja am Besten wissen:

„Obwohl die Entwicklung und Stabilisierung der orangenen Karottenwurzel in den Niederlanden etwa aus dieser Zeit zu stammen scheint, ist es unwahrscheinlich, dass die Ehrung Wilhelms von Oranien etwas damit zu tun hatte.

Es gibt keinen dokumentarischen Beweis dafür, dass die Niederländer die orangefarbene Karotte zu Ehren ihrer königlichen Familie gezüchtet haben.“

…so Stolarczyk gegenüber LiveScience.

Farbe, wechsle dich!

Einem Artikel von 2011, an dem Stolarczyk mitarbeitete, ist zu entnehmen, dass wilde Karotten vor fast 5.000 Jahren nur weiß oder weißgelb waren, bis sie im Gebiet der persischen Hochebene erstmals domestiziert wurden, wodurch sie violett und gelb wurden.

Später wurden diese Karotten in zwei Hauptklassen aufgeteilt:

  • die asiatische Gruppe (violett, rund um den Himalaja)
  • die westliche Gruppe (gelb, Türkei und Naher Osten)

Im Laufe der Zeit mutierten die gelben Karotten der westlichen Gruppe zu mehr orangenfarbenen Tönen, die die Bauern dann selektiv anpflanzten.

Islamische Händler brachten dann wahrscheinlich die Samen orangen Möhre nach Europa. Spanische Dokumente belegen den Anbau jener orangen Möhre bereits im 14. Jahrhundert – also rund 200 Jahre vor dem Niederländischen Aufstand und Wilhelm von Oranien.

Der Siegeszug der Karotte

Im Europa des 16. Jahrhunderts war die junge Niederlande eine der wichtigsten, landwirtschaftlichen Mächte in Europa.

Durch das milde und feuchte Wetter in den Niederlanden wuchsen dort auch die orangenfarbenen Karotten sehr viel besser als purpurne und gelbe Karroten, die ein schwüleres Klima bevorzugen.

Die Niederlande als fleißige Händler zur See verbreiteten dann die orangen Karotten über den ganzen Kontinent, wobei Frankreich, England und Deutschland zuerst in den Genuss des Gemüses kam, welches sich anscheinend großer Beliebtheit erfreute.

Nationalfarbe: Karotte

Durch den Export von Karotten berühmt, legte sich die aufkeimende Nation also eine Nationalfarbe zu, um sich eine Identät zu geben – und nichts lag da näher als die Farbe des beliebten Exportproduktes – Der Karotte.

So ist es also zwar zeitlich fast passend, dass Wilhelm „von Oranien“ heißt und die Nationalfarbe orange ist, jedoch hängt beides nicht miteinander zusammen.

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Fazit

Die orange Karotte der Niederländer und das Auftreten Wilhelm von Oraniens in den Annalen der Geschichte liegen rund 200 Jahre auseinander.

Sie wurde nicht zu Ehren Wilhelms gezüchtet, sondern schon sehr viel früher, da sie am Ertragreichsten und ein beliebtes Exportprodukt war.

Quellen: LiveSience, World Carrot Museum
Artikelbild: Artphilia Design / Shutterstock

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