Auf einem Sharepic verbreitete sich die Behauptung, dass ein Großteil der Menschen immun seien. Doch das Zitat ist verfälscht, die anderen Behauptungen auch nicht haltbar.

Der emeritierte Mikrobiologieprofessor der Universität Mainz, Prof. Dr. Sucharit Bhakdi, sorgt mit seinen Verharmlosungen des neuen Coronavirus seit März für Schlagzeilen. Auf einem Sharepic kursiert nun ein Zitat von ihm, welches jedoch verfälscht ist und zweifelhaft ist.

Um dieses Sharepic handelt es sich:

Das Sharepic mit dem Bhakdi-Zitat
Das Sharepic mit dem Bhakdi-Zitat

„85% sind immun gegen das Virus“

behauptet Bhakdi laut dem Sharepic. Zudem sollte man die Zahl der schwer Erkrankten und der Todesfälle zählen, nicht die Zahl der positiv Getesteten. Die Sterberate soll somit lediglich 0,1 bis 0,2 Prozent betragen und folglich nicht schwerer als eine Grippe sein.

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Was Bhakdi tatsächlich sagte

Während die anderen Behauptungen Bhakdis, die aus einem Interview stammen, welches am 21. Oktober in der Fuldaer Zeitung erschien, so auch korrekt auf dem Sharepic wiedergegeben wurden, irritiert insbesonde der erste Satz, wonach 85% immun gegen das Coronavirus seien.

Tatsächlich sagte er aber in dem Interview:

„Immunität bedeutet nicht, dass man sich nicht infizieren kann. Bei Corona ist es so, dass 85 Prozent der Infizierten nicht schwer erkrankt sind. Diese Menschen sind also immun gegen das Virus. Immun zu sein bedeutet, dass man nicht schwer erkrankt.“

Während der Satz auf dem Sharepic den Eindruck macht, Bhakdi rede von 85 Prozent aller Menschen, meint er aber tatsächlich aber 85 Prozent aller infizierten Menschen.

Woher hat Bhakdi die Zahl?

Er beruft sich da wahrscheinlich auf eine Untersuchung von 18 an COVID-19 erkrankten Personen, von denen die Charité Berlin im Juli in einer Pressemitteilung berichtete.

Dabei wurde festgestellt, dass 15 der 18 Patienten, also 85 Prozent, sogenannte T-Helferzellen im Körper hatten, die auf die Bruchstücke der Virusoberfläche reagierten.

Die war allerdings keine große Überraschung für die Forscher, da das Immunsystem der Patienten ja gerade dabei war, das neue Coronavirus zu bekämpfen. Interessant ist eher, warum die anderen drei Patienten keine solche T-Helferzellen im Körper hatten.

Die vorläufige Schlussfolgerung war, dass vorherige Erkrankungen mit anderen Coronaviren eventuell dafür verantwortlich sind, dass T-Helferzellen im Körper vorhanden sind. Dazu bedarf es jedoch weiterer Studien.

Allerdings ist es sehr hoch gegriffen, aufgrund jener Zahlen zu behaupten, dass diese 15 Patienten deshalb „immun“ gegen das neue Coronavirus seien; eher kann man schlussfolgern, dass dadurch der Krankheitsverlauf weniger schwer verläuft.

Auch lässt sich die sehr geringe Anzahl von insgesamt 18 Patienten nicht komplett auf die Gesamtzahl der Corona-Infizierten umlegen, das ist alles andere als repräsentativ.

Und was ist mit der Sterberate?

Die Behauptung beruht auf einer angeblichen Aussage der WHO (wir berichteten).

Bei einer Sitzung der WHO wurden Schätzungen über die Entwicklung der Pandemie angestellt. Dabei wurde ein absolutes Optimum an einer Stelle geschätzt, nämlich dass vielleicht insgesamt 10 Prozent der Menschheit tatsächlich infiziert seien.

Wenn dem so wäre, dann läge die Corona-Sterblichkeit tatsächlich nur bei 0,1% – 0,2%. Aber nochmals zur Betonung: Es war eine Schätzung, die vom absoluten Optimum ausgeht.

Die Realität sieht allerdings ganz anders aus und zeigt auch auf, dass man gar nicht von einer weltweit allgemeingültigen Sterberate reden kann.

Beispielsweise liegt die weltweite Sterberate derzeit bei 2,82%.
Utah County in den USA hat eine Sterberate von nur 0,28%.
Die komplette USA hingegen hat eine Sterberate von 2,71%.
Deutschland hat eine Sterberate von 2,77%.
Italien hat sogar eine Sterberate von 9,53%.
(Berechnungen basiend auf den Zahlen vom 16.10.2020)

Die starken Schwankungen beruhen unter anderem auch auf das Durchschnittsalter der Erkrankten und die Behandlungsmöglichkeiten. Italien sticht da beispielsweise sehr stark hervor, da auch das Durchschnittsalter dort höher ist.

Selbst wenn die Schätzung der WHO richtig ist, also wirklich die optimalsten Zahlen korrekt wären, gibt es noch weitere Probleme, die zu beachten sind:

  • Es gibt keinen Impfstoff gegen COVID-19, während gegen die Grippe nicht nur Impfungen, sondern auch eine gewisse Grundimmunität besteht
  • COVID-19 bricht zumeist sehr viel später als eine Grippe aus, Infizierte können tagelang andere infizieren, ohne von der Erkrankung zu wissen
  • Der Krankheitsverlauf bei COVID-19 ist oftmals schwerer als bei Grippe
  • Immer öfter werden Folgeschäden durch COVID-19 festgestellt, die es bei einer Grippe eher selten gibt

Die Einschätzung Bhakdis, dass COVID-19 nicht schlimmer als eine Grippe und genauso wenig tödlich sei, ist also absolut nicht haltbar.

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Fazit

Die Behauptungen Bhakdis auf dem Sharepic sind in allen Punkten nicht haltbar.
Der erste Satz des Zitates ist ohnehin sinnverfälschend gekürzt, doch auch das vollständige Zitat ist nicht haltbar, da Bhakdi seine Behauptung auf eine Untersuchung von gerade mal 18 COVID-19 Patienten stützt.

Auch seine Behauptungen über die Sterblichkeitsrate bei COVID-19 sind nicht haltbar, sie beruhen auf einer Schätzung der WHO über den optimalsten Verlauf der Pandemie, aber nicht auf den gesicherten Zahlen.

Artikelbild: Shutterstock / Von PHOTOCREO Michal Bednarek


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