Die Behauptung

Ein BBC-Reporter soll in einem Beitrag eine akute Gefahr nur gestellt haben – diesen Eindruck sollen zumindest einige Standfotos erwecken.

Unser Fazit

Nein, der BBC-Bericht von Jeremy Bowen aus Irpin war nicht gestellt. Die Bewohner der Stadt flohen zu dem Zeitpunkt vor russischem Beschuss, der auch im Originalvideo zu hören ist. Eine Frau, die im Hintergrund des Beitrags zu sehen ist, duckt sich ebenfalls kurz. Dieser Ausschnitt wurde in den online geteilten Beiträgen nicht verwendet.

Schon seit Ende Februar tobt der Krieg in der Ukraine und bereits wenige Wochen nach Beginn der Bombardierungen, attackierten die russischen Truppen auch die ukrainische Stadt Irpin, nahe der Hauptstadt Kiew. Der BBC-Reporter Jeremy Bowen berichtete in der BBC-Nachrichtensendung Live aus der Stadt, inmitten zahlreicher Schüsse. In den sozialen Netzwerken gibt es momentan mehrere Diskussionen und Beiträge darüber, ob Bowen gewisse Szenen aus seinem Beitrag nur inszeniert habe.

Die Bilder seien angeblich inszeniert
Die Bilder seien angeblich inszeniert

BBC-Reporter Bowen berichtet aus Irpin

In den sozialen Medien verbreiten sich momentan viele Bilder und Screenshots, entnommen aus einem Videobericht des britischen Fernsehsenders BBC. In Letzterem informiert der Reporter Jeremy Bowen über die aktuelle Lage der unter Beschuss stehenden Stadt Irpin.

Bowen trägt Helm und Schutzweste mit der Aufschrift „Press“ (dt. Presse) und liegt – in die Kamera schauend – mit seinem Mikrofon in der Hand auf dem Boden. Im Hintergrund sieht man eine Frau mit einer mittelgroßen Tasche in der Hand, die sich zu fragen scheint, was gerade passiert. Deshalb stellt sich die Frage, ob keine unmittelbare Gefahr bestand, sodass man sich hätte auf den Boden legen müssen.

Die Behauptung

„Ein BBC-Reporter berichtet heldenhaft „aus dem Schützengraben“, während eine fassungslose Frau aus einem nahe gelegenen „Graben“ nicht versteht, was da vor sich geht“, so heißt es unter einem Facebook-Beitrag, der einen Screenshot aus dem Bericht enthält.

Weitere User im Netz berichten von einer übertriebenen Darstellung der Situation; in einigen Fällen wird gar von einer Täuschung gesprochen. Auch gescherzt wird über die Situation im Videobeitrag: Manche sprechen von einer „schauspielerischen Darbietung“, andere NutzerInnen „glauben“ die Frau käme gerade vom Markt mit ihren vollen Einkaufstüten, während sich der Reporter vor Beschuss schütze.

Die Fakten

Im Laufe des Fernsehberichtes der BBC, in dem Jeremy Bowen über die aktuelle Lage in Irpin Bericht erstattet, sind immer wieder Einschläge zu hören. Außerdem sieht man zahlreiche Flüchtlinge, die ihre Habseligkeiten (Koffer, Taschen, Kuscheltiere aber auch echte Hunde und Welpen) tragen und jeden Versuch unternehmen, in Richtung Kiew zu entkommen.

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Auch eine junge Familie, die den Nachforschungen zufolge noch in Irpin starb, war im Video zu sehen. Wie viele andere Menschen, waren sie auf dem Weg über eine Brücke, die nach Kiew führte. Zum Schutz vor Luftangriffen kauerten viele Zivilisten auch neben bzw. unter der Brücke.

Die Brücke im Hintergrund
Die Brücke im Hintergrund, Quelle: New York Times

Diese Brücke ist schon von vielen Fotoaufnahmen bekannt und im Hintergrund des Reporters zu sehen. Auch dieser erwähnt, dass viele Zivilisten anwesend seien. Er befand sich in einer Szene am Rand der Stadt.

Bowen in Irpin, die zerstörte Brücke im Hintergrund
Bowen in Irpin, die zerstörte Brücke im Hintergrund

Foto ohne Kontext – Szene wirkt gefahrlos

Die Frau im Hintergrund des Videos ging während der Berichterstattung ebenfalls in Deckung, anders als in vielen Screenshots zu sehen. Das liegt daran, dass sie am Ende der Szene in Bowes Richtung blickt und schließlich aufsteht. In diesem Moment wurden die Fotoausschnitte aus den sozialen Medien angefertigt, wonach die ganze Szene harmloser aussieht, so die dpa im factchecking. Anschließend dreht sich die Frau mit den Taschen weg. Sie scheint wie die anderen in sich gekauerten Personen auf der Flucht aus Irpin gewesen zu sein.

Demnach kann man sagen, dass dem Foto der Kontext des gesamten Fernsehberichtes fehlt. Es ist nur ein Bildausschnitt, in dem die ganze Situation anders wirkt als in dem Video. Dort ist ja eben auch zu sehen, wie die Frau und andere Personen ebenfalls in Deckung gingen. Die Gefahr, um auf dem Boden zu liegen, war also durchaus gegeben.

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In einem Twitter-Post äußert sich der Reporter selbst zu den Anschuldigungen: „Beleidigt mich, wenn ihr wollt. Beleidigt nicht Tausende von Zivilisten, die über die Irpin-Brücke nach Kiew vor dem russischen Beschuss und den Kriegsverbrechen flüchten“, so Jeremy Bowen. Die Behauptung, er würde bei dem Einsatz etwas vortäuschen sei somit falsch.

Fazit

Nein, der BBC-Bericht von Jeremy Bowen aus Irpin war nicht gestellt. Die Bewohner der Stadt flohen zu dem Zeitpunkt vor russischem Beschuss, der auch im Originalvideo zu hören ist. Eine Frau, die im Hintergrund des Beitrags zu sehen ist, duckt sich ebenfalls kurz. Dieser Ausschnitt wurde in den online geteilten Beiträgen nicht verwendet.

Autor: Nick L.

Quellen:

AFP, dpa

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