Es war wieder einer dieser Momente, in denen ich mir die Faktenchecks unserer Kollegen anschaute. Dabei blieb mein Blick an einer bestimmten Schlagzeile hängen: zu wenig Wirkstoff.

„Himbeeren als Schmerzmittel-Ersatz? „Weltfremder Vorschlag“. Das ist ein Check, den die KollegInnen der dpa veröffentlicht haben. Ich meine, ich habe mich bestimmt schon mal gefragt, warum es neuerdings keine Himbeeren mehr im Supermarkt gibt. Oder warum meine Oma nach dem Himbeerkuchen plötzlich keine Knieschmerzen mehr hatte.

Wie dem auch sei. Vielleicht gibt es auch gar keinen Zusammenhang. Denn den haben die KollegInnen der dpa sehr deutlich beschrieben. In ihrem Faktencheck gehen sie auf ein Shareable ein, das eine unsinnige Behauptung aufstellt. Inklusive problematischer Beschreibung:

Himbeeren sind bis zu 3x Mal effektiver gegen Kopfschmerzen als Aspirin. Verantwortlich dafür sind die B-Vitamine, welche Entzündungen bekämpfen.

Gesundheitsfakten. Das steht zu allem Überfluss unter dem Shareable. Die Einzigen, die Fakten zu diesem Schmonz geliefert haben, sind die Redakteure der dpa. Sie haben auch diesen Unfug für die Nachwelt archiviert (siehe hier). Und die erklären, warum diese Behauptung wissenschaftlich nicht haltbar ist (hier der Faktencheck).

10 kg Himbeeren entsprechen einer Aspirin-Tablette

Ich musste schmunzeln, als ich den Faktencheck zu diesem Thema gelesen habe. Das Ergebnis: Die Menge an Salicylsäure, also der schmerzstillenden Substanz, die auch in Himbeeren enthalten ist, ist gering. Der Faktencheck spricht in einem Beispiel davon, dass man hochgerechnet 10 kg Himbeeren essen müsste, um in etwa die Menge an Salicylsäure aufzunehmen, die in einer Aspirin 500 enthalten ist.
OMG! Man stelle sich vor, am Morgen nach einer durchzechten Nacht steht neben dem Bett ein Eimer mit 10 kg Himbeeren. Das geht nicht gut aus. Nein, das geht nicht gut aus. Allein die Gewichtszunahme ad hoc will ich nicht haben.

Aber lassen wir das. Kommen wir kurz zum Fazit der dpa-KollegInnen. Die lassen nämlich Daniel Pöpping vom Universitätsklinikum Münster abschließend zu Wort kommen. Pöpping ist Facharzt auf diesem Gebiet und sagt: „Das sind Fake News, soweit ich das beurteilen kann“.

Das Problem der Wissenschaftsferne

Die Sehnsucht nach einfachen Lösungen. Die Hoffnung auf das süße Zauberelixier. Die Ablehnung komplexer Zusammenhänge. Sind es die Sterne oder die Wasseradern, die mein Leben bestimmen? Dann wäre die Lösung so einfach.

Auch der Glaube an Himbeeren ist eine Form der Wissenschaftsverweigerung. Dieses Beispiel zeigt, wie groß der Wunsch nach „Alternativmedizin“ sein kann. Und wenn dann noch ein Shareable auftaucht, das sich viral über Social Media verbreitet, manifestiert sich ein solcher Glaube.

Und dann wird es problematisch, vor allem dann, wenn Wissenschaft infrage gestellt oder gar als Glaube bezeichnet wird. Problematisch ist auch die Überbetonung des sogenannten „gesunden Menschenverstandes“ (Hausverstand) gegenüber der Wissenschaft, vor allem wenn diese Überbetonung in der Politik mantraartig wiederholt wird.

Wissenschaft ist die systematische und rationale Suche nach Erkenntnis. Sie umfasst die Bereiche der Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften und Technikwissenschaften. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler versuchen, die natürliche und menschliche Umwelt zu verstehen, indem sie verschiedene Theorien und Hypothesen auf ihre Richtigkeit hin überprüfen.

Wissenschaft ist kein Glaube und keine Ersatzreligion. Auch das wird ihr gerne vorgeworfen. Aber Wissenschaft ist das ständige Ringen um mehr Wissen. Das Lösen von Problemen. Wissenschaft darf und will sich revidieren, wenn sie einen Irrtum erkennt. Auch das sind wichtige Eigenschaften. Sehr wichtige sogar! Positive Fehlerkultur statt platter Populismen.

Also: Auch wenn man vielleicht „Big Pharma“ verteufelt. 10 kg Himbeeren zu essen, um (wenn überhaupt) eine schmerzlindernde Wirkung zu erzielen, ist völliger Unsinn.

Nachlese: Der dpa-Faktencheck zu diesem Thema

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