Begrüßungsgeld: Wenn ukrainische Flüchtlinge als Sündenbock für Neidhammel herhalten müssen

Ukrainische Flüchtlinge, die mit ihren teuren Autos nach Deutschland kommen, obwohl sie ja „gar nicht vom Krieg betroffen“ sind und dann auch noch Begrüßungsgeld kassieren, bringen einen Facebook-Nutzer dazu, dass er „kotzen möchte“.

Autor: Claudia Spiess

Die Behauptung

In einem Facebook-Beitrag wird behauptet, dass ukrainische Flüchtende ein Begrüßungsgeld in Höhe von 7.000 Euro erhalten würden, was zu Lasten der Steuerzahler:innen gehen soll.

Unser Fazit

Diese Behauptung ist falsch. Seit dem 1. Juni 2022 können ukrainische Flüchtlinge Leistungen aus der Grundsicherung erhalten. Seit Beginn des Jahres 2023 haben sie dadurch Anspruch auf das Bürgergeld. Ein „Begrüßungsgeld“ gibt es nicht.

Auf Facebook beschwert sich ein Nutzer über Sonderzahlungen, die als „Begrüßungsgeld“ bezeichnet werden, für Flüchtende aus der Ukraine aus. Seiner Wut und seinem Unverständnis lässt er in seinem Post freien Lauf:

„Audi Q8 / 50 TDl Motor…. Aus der Ukraine !!!! Gerade bei uns in wsw gesehen.
Und diese Schmarotzer kassieren mein Geld !!!
Kennzeichen BI Oblast Poltawa, liegt ca in der Mitte der Ukraine. Überhaupt nicht von Krieg betroffen, aber kassieren reichlich zuschüsse, Sonderzahlungen plus Bürgergeld, alles von deutschen Steuerzahler!!
Und uns wird gesagt: „wir“ leben in einer Kriese.
Kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen könnte !!!!!“

Screenshot Facebook
Screenshot Facebook (hier archiviert)

Der Beitrag wurde mehrmals geändert. In einer früheren Variante ist hier sogar von 7.000 Euro die Rede: „Überhaupt nicht von Krieg betroffen, aber kassieren 7000€ Begrüßungsgeld plus Bürgergeld (pro Person!!!)“

Screenshot Facebook / Bearbeitungsverlauf des Postings
Screenshot Facebook / Bearbeitungsverlauf des Postings

Eine Quelle für die Behauptung wird nicht angeführt. Ah, doch! Einen Hinweis auf die Quelle gibt es, die darf jedoch „aufgrund des Datenschutzes nicht preisgegeben werden“.

Kurz vorgegriffen: Flüchtende erhalten in Deutschland kein „Begrüßungsgeld“, sondern Leistungen im Rahmen der Grundsicherung. Alle Regionen der Ukraine sind vom Krieg betroffen, so auch die Oblast Poltawa (Poltawskie Oblast).

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Kein „Begrüßungsgeld“ in Deutschland

Bereits im Januar und Februar kursierte das Gerücht eines angeblichen Begrüßungsgeldes für ukrainische Flüchtlinge. Hier sollte allerdings die Caritas als auszahlende Stelle fungieren. Das war falsch. Wir berichteten HIER und HIER.

Nun geht es also darum, dass eine solches „Begrüßungsgeld“ von der Regierung zur Verfügung gestellt würde. Doch auch das ist falsch. Flüchtlinge aus der Ukraine haben in Deutschland keinen Anspruch auf eine solche Leistung. Dies bestätigte auch ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa): „Aus der Ukraine Geflüchteten wird von der Bundesregierung kein Begrüßungsgeld gezahlt; es gibt auch keine entsprechenden Pläne.“

Laut Bundesregierung können geflüchtete Ukrainer:innen seit dem 1. Juni 2022 Leistungen aus der Grundsicherung erhalten. Demnach haben sie seit Beginn des Jahres 2023 Anspruch auf das Bürgergeld. Wie der mdr in einem Faktencheck erklärt, haben ukrainische Flüchtlinge damit ähnliche Ansprüche wie deutsche Staatsangehörige.

Einzelne regionale Fälle von Begrüßungsgeld

Beispielsweise gab es in Holzkirchen (Bayern) einen Spendenaufruf („Holzkirchen hilft“), bei dem für Ukrainer:innen, die in Bad Wiessee untergebracht wurden, finanzielle Starthilfe gesammelt wurde. Das Geld stammt hier von den Bürger:innen aus dem Landkreis Miesbach. Genau aus dem Grund, weil es kein staatliches „Begrüßungsgeld“ gibt, wurde diese Aktion ins Leben gerufen.

Auch in Borna wurde aus einem Spendentopf finanzielle Unterstützung an Flüchtlinge ausbezahlt.

In Holzkirchen beliefen sich die Beträge auf 150 Euro pro Person, in Borna auf 100 Euro für Erwachsene und 50 Euro für Kinder. Beide Aktionen wurden nicht von staatlicher Seite unterstützt.

Kein Kriegsgeschehen in der Oblast Poltawa?

Es gibt keine Regionen, die in der Ukraine nicht vom Krieg betroffen sind. Der Krieg findet hier nicht nur in den besetzten Gebieten statt.
„Überall im Land besteht die Gefahr von nicht explodierter Munition, im Küstenbereich zudem von Seeminen“, schreibt das Auswärtige Amt.

Für die Oblast Poltawa werden auf der Monitoring-Seite alerts.in.ua mehr als 1.000 Luftalarme seit Beginn des Invasionskriegs im Februar 2022 verzeichnet.

Fazit

Impfwurm: FALSCH
Begrüßungsgeld: Wenn ukrainische Flüchtlinge als Sündenbock für Neidhammel herhalten müssen

Die Behauptung, dass ukrainische Flüchtende in Deutschland ein Begrüßungsgeld erhalten, ist falsch.

Der Begriff selbst taucht zwar in mehreren Protokollen des Bundestags auf, steht jedoch immer in einem anderen Kontext und hat nichts mit finanzieller Unterstützung Flüchtender zu tun.

Genau so, wie bereits 2015 diese Falschmeldung kursierte (HIER), handelt es sich auch aktuell bei solchen Behauptungen nicht um die Wahrheit. Seit dem 1. Juni 2022 können ukrainische Flüchtlinge Leistungen aus der Grundsicherung erhalten. Seit Beginn des Jahres 2023 haben sie dadurch Anspruch auf das Bürgergeld.

Quelle:

DPA

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