Aus den Daten eines Lieferdienstes konnten Informationen über Putins Privatleben erhoben werden.
Aus den Daten eines Lieferdienstes konnten Informationen über Putins Privatleben erhoben werden.

Durch die Aktion eines laut Yandex-Food „unehrlichen“ Mitarbeiters gelangten unter anderem die Investigativ-Journalisten von Bellingcat an Datensätze von ca. 58.000 Kunden mit auf den ersten Blick harmlosen Bestellinformationen wie Namen, Adressen, Telefonnummern, Lieferhinweisen, Rechnungsinformationen und Meta-Daten.

Daten-Puzzle wird zusammengesetzt

Setzt man solche Informationen jedoch mit anderen, z.B. aus älteren Leaks, bereits vorhandenen Informationen in Beziehung, kann das zu hochinteressanten Erkenntnissen führen, die in diesem Fall weder Wladimir Putin gefallen dürften noch seinem Inlandsgeheimdienst FSB oder dem Auslandsgeheimdienst GRU. So überprüfte Bellingcat verschiedene Telefonnummern, die im Kontext des Giftanschlages auf Alexei Nawalny aufgefallen waren und bislang keiner Person zugeordnet werden konnten.

Und tatsächlich fanden sich einige Nummern in der geleakten Datenbank wieder und es konnten nun Namen und Adressen miteinander in Beziehung gesetzt werden. Die Erkenntnisse daraus sind wenig überraschend, liefern sie doch tiefergehende Informationen zu militärischen Standorten oder Büros der Geheimdienste. Dabei greifen die russischen „Jarowaja“-Gesetze aus 2016, die russische Telekommunikationsdienstleister zur Aufbewahrung von Kundendaten verpflichtet. Diese sollten lediglich den Sicherheitsdiensten zur Verfügung stehen, gelangen aber des Öfteren an die Öffentlichkeit. In diesem Fall zulasten der Sicherheitsdienste (HIER).

Dabei hat sich Bellingcat in der Berichterstattung ausschließlich solche Daten veröffentlicht, die Gegenstand des Recherche-Interesses waren. Darüberhinausgehende für die Öffentlichkeit nicht relevante persönliche Daten unbeteiligter Personen wurden unkenntlich gemacht.

We have only used this leak to explore further information about the subjects of previous investigations – many of whom are members of Russia’s security services and military.

Wir haben diese undichte Stelle nur genutzt, um weitere Informationen über die Personen zu erhalten, die Gegenstand früherer Untersuchungen waren – viele von ihnen sind Mitglieder der russischen Sicherheitsdienste und des Militärs.

(übersetzt mit dem Onlineübersetzungsdienst Deepl.com)

Der Giftanschlag auf Alexej Nawalny

Ein Untersuchungsgegenstand von Bellingcat waren Telefonnummern, die im Zusammenhang mit der Vergiftung von Alexei Nawalny standen, bislang aber keinen Personen oder Organisationen zugeordnet werden konnten. Durch dieses Leak gelang es, wenigstens eine Nummer einer Person zuzuordnen, die in einem Forschungsinstitut in einem Moskauer Vorort arbeitet. Die genaue Rolle des Mannes bleibt unklar, aber er hat mit am Attentat auf Putin beteiligten FSB-Geheimdienstlern neben vielen Telefonaten in der Zeit davor sowohl in der Nacht der Vergiftung Nawalnys als auch am nächsten Morgen telefoniert.

Auch Militär und Geheimdienst schieben Kohldampf

Durch die veröffentlichten Bestelldaten konnten auch diverse Standorte von Militär- und Sicherheitseinrichtungen des FSB und GRU erstmals lokalisiert bzw. vermutete Adressen verifiziert werden. Teilweise wurden den mit der Auslieferung der Speisen beauftragten Boten klare Anweisungen gegeben, wie sie sich den offenkundig militärischen Einrichtungen zu nähern hätten. Wartezeiten, bestimmte Schranken, Hinweise auf „Geschlossene Gebiete“, Anrufe zehn Minuten vor Lieferung etc., Informationen, die sehr deutlich nicht normale Privat- oder Büroadressen ausweisen, sondern auf den militärischen Hintergrund hinweisen (HIER).

Putins „geheime“ Tocher gefunden

Ein weiteres Highlight des Leaks ist die Identifizierung des aktuellen Wohnsitzes von Putins „geheimer“ und zuletzt verschwundenen angeblichen Tochter.

Die Nawalny-Unterstützerin und im August 2021 wegen zu erwartender richterlicher Einschränkungen ihrer Freiheitsrechte aus Russland ausgereisten Rechtsanwältin Lubov Sobol (HIER) hat auf ihrem Twitter-Account ihre Erkenntnisse aus dem Yandex-Food-Leak veröffentlicht, die Wladimir Putin so gar nicht gefallen dürften. Sie gibt den Aufenthaltsort einer jungen Frau bekannt, die die „geheime Tochter“ von Putin sein soll, Luiza Rozova.

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Die 18-jährige Elizaveta, genannt Luiza, Rozova gilt als Putins außereheliche Tochter mit seiner Ex-Geliebten Swetlana Krivonogikh. Allerdings hat der russische Präsident die Vaterschaft nie anerkannt. Die junge Instagram-Influencerin sah sich zu Beginn des Krieges einem massiven Shitstorm wegen der von Putin ausgehenden Aggression gegenüber der Ukraine ausgesetzt. Ihr eigener Account @luizaroz_ mit knapp 100.000 Followern war  bereits seit November 2021 verwaist. Mittlerweile ist er gar nicht mehr auffindbar. Sie selbst war verschwunden, was Gerüchte angeheizt hatte, der Putin habe seine angebliche Tochter in einen sicheren Atomschutzbunker bringen lassen (HIER).

Durch das Daten-Leak ist nun klar geworden, dass sich Luiza Rozova in der Wohnung ihrer Mutter aufhält. Und gerne Essen bei Yandex-Food bestellt. Wie viele andere junge Menschen auch.

Laut dem Bericht von Bellingcat und den Informationen zur Wohnung der Mutter von Rozova wurden so auch neue Anhaltspunkte für Korruption aufgedeckt (HIER).

Fazit

Durch einen Daten-Leak bei dem russischen Essenslieferanten Yandex-Food sind die Bestellinformationen von ca. 58.000 Kunden veröffentlicht worden. Die Investigativ-Plattform Bellingcat und andere Teams wie Unterstützer von Alexei Nawalny haben Zugriff auf die Daten erhalten. Durch den Abgleich und die Verknüpfung von vorhandenen Daten konnten neue Erkenntnisse gewonnen und z.B. die konkreten Adressen von Standorten militärischer Einrichtungen und Geheimdienstbüros eruiert bzw. verifiziert werden. Auch konnte durch den Leak der Aufenthaltsort der zu Beginn des Krieges verschwundenen angeblichen Tochter von Putin geklärt werden.

Unterstützen

FAKE NEWS BEKÄMPFEN

Unterstützen Sie Mimikama, um gemeinsam gegen Fake News vorzugehen und die Demokratie zu stärken. Helfen Sie mit, Fake News zu stoppen!


Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.
2) Einzelne Beiträge entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)


Mit deiner Hilfe unterstützt du eine der wichtigsten unabhängigen Informationsquellen zum Thema Fake News und Verbraucherschutz im deutschsprachigen Raum

INSERT_STEADY_CHECKOUT_HERE

Mehr von Mimikama

Mimikama Workshops & Vorträge: Stark gegen Fake News!

Mit unseren Workshops erleben Sie ein Feuerwerk an Impulsen mit echtem Mehrwert in Medienkompetenz, lernen Fake News und deren Manipulation zu erkennen, schützen sich vor Falschmeldungen und deren Auswirkungen und fördern dabei einen informierten, kritischen und transparenten Umgang mit Informationen.