In diesen grausamen Zeiten schleicht sich manchmal trotz der meist weniger angenehmen Faktenchecks dann doch mal zwischendurch ein leises Lächeln ins müde Gesicht.

Da erreicht uns ein Facebookpost mit einem Bild, das einen sehr kleinen Jungen mit heruntergelassenen Hosen vor einem sehr großen Panzer zeigt. Der Kleine steht da ganz entspannt und pinkelt im Strahl auf die Ketten des riesigen Fahrzeugs. Dazu schreibt der Verfasser:

Was für ein cooles Statement!!!!!!

Da geht einem doch das Herz auf, nicht wahr? Der Post ist am 26. Februar auf der Seite „Ab in die Irrenanstalt“ (sic!) erschienen und hat am 3. Tag des Überfalls Russlands auf die Ukraine ganz offenkundig einen Nerv der hilflos das Geschehen Verfolgenden getroffen. Mittlerweile hat er fast 80.000, hauptsächlich positive Reaktionen erhalten und wurde über 30.000 Mal geteilt…. Man könnte glatt behaupten, er sei viral gegangen.

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Dem geübten Auge ist sofort klar, dass es sich hier um einen Fake handelt. Der Junge steht nicht richtig auf dem Boden, scheint zu schweben, der Panzer hat ist deutlich schärfer als der etwas verschwommen wirkende Junge. Außerdem wirft dieser keinerlei Schatten. Das Bild ist ganz offensichtlich bearbeitet und das noch nicht mal gut.

Klarer Fake, oder doch nicht?

Das bedeutet aber nicht, dass es nicht doch Facebook-Nutzer gibt, die den Post trotz der humoristischen Seite, auf der er veröffentlicht wurde, ernst genommen haben. So gibt es zahlreiche Nutzer, die den  Mut des Jungen feiern, sich des vermeintlich russischen Panzers, den sie offenbar im Kampfeinsatz in der Ukraine wähnen, in dieser despektierlichen Form anzunehmen. Andere nehmen zwar noch zur Kenntnis, dass es ein Museumspanzer ist, beschweren sich aber dann über die schlechte Erziehung durch die untalentierten Eltern, die ihrem Kind keinen Anstand beigebracht hätten. Im Museum einen Panzer anzupinkeln. Geht gar nicht. Stimmt. Man sollte generell keine fremden Gegenstände oder Wände anpinkeln, aber diese Diskussion führt hier wohl zu weit….
Und dann wieder gibt es die Nutzer, die den Fake sofort erkennen, sich aber angesichts der emotionalen Aussage darauf einlassen und an dem niedlichen Bild erfreuen. Wie gesagt, ein kleiner Lichtblick in trüben Zeiten. Mit einer wirklich coolen Botschaft.

Debunking braucht Beweise

Der guten Ordnung halber haben sich unsere Rechercheure trotzdem drangegeben und versucht, die einzelnen Bildbestandteile ausfindig zu machen. Und das ist ihnen auch teilweise tatsächlich gelungen.
Der Panzer lässt sich eindeutig als ein Museumsstück identifizieren. Es handelt sich um einen M13/40, einen italienischen, in relativ geringen Stückzahlen produzierten Panzer aus dem 2. Weltkrieg. (HIER). Dieses konkrete Exemplar in dem Foto mit dem Jungen steht in einem Panzer-Museum im britischen Bovington. Das Bild ist auch in dem Wikipedia-Beitrag zu diesem Panzertyp zu finden (HIER).

Panzer eindeutig identifiziert

Schaut man sich von dem Wikipediafoto einmal genau jenen Ausschnitt an, der auch in dem Facebook-Post mit dem Jungen gewählt wurde, lässt sich an der Bodenstruktur und den Flecken dort sofort erkennen, dass es sich um das gleiche Foto, bzw. zumindest um die gleiche Situation handelt.
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Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgesichert, dass dieser Panzer nicht reaktiviert und in die Ukraine geschafft wurde, wie das der Beitragstext und auch viele Kommentare suggerieren, wo der Knirps dann sein persönliches nonverbales Anti-Kriegs-Statement hinterlassen hat.

Junge nicht auffindbar

Den Jungen selbst im Netz wiederzufinden, hat sich leider als unmöglich herausgestellt. Wir konnten nicht nachvollziehen, woher das Bild stammt. Das robuste Schuhwerk, halbhohe Schnürstiefel, lassen Assoziationen an Astrid Lindgrens Michel aus Lönneberga anklingen, aber es ist in Moment nicht zu belegen.

Inspirationsquelle gefunden?

Ein Hinweis findet sich einer Seite der Universität Palermo vom 25. Februar (HIER), auf der ein Street Art Kunstwerk des Künstlers Tvboy präsentiert wird. Auch dort ist ein kleiner Junge mit einer Schirmmütze auf eine Wand aufgemalt. Neben ihm sieht man auf der Wand die feuchten Reste von angedeutetem Urin und im Vordergrund stehen Spielzeugpanzer und Soldaten. Es wird der Eindruck erweckt, dass der Junge auf das Mündungsfeuer des Panzers schießt und es löscht. Der Junge sieht dem Jungen vor dem echten Panzer sehr ähnlich, er ist es aber nicht. Sie unterscheiden sich unter anderem in der Kleidung. Der Originalpost auf dem Facebook-Profil des Künstlers Tvboy erschien am 24. Februar, einen Tag nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine. Ganz offenbar war dies seine Art, sich künstlerisch mit dem Ereignis auseinanderzusetzen. Der Post mit dem großen Panzer mag durchaus hiervon inspiriert sein, aber es gibt keinen Beleg dafür.

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Fazit

Das Bild des kleinen Jungen, der genüsslich den Panzer anpinkelt, ist eine süße, aber schlecht gemachte Fotomontage. Der abgebildete italienische Panzer steht als Museumsstück in einem Panzer-Museum in Großbritannien. Es handelt sich nicht um einen im Einsatz in der Ukraine befindlichen russischen Panzer, wie manche Facebook-Nutzer glauben möchten. Möglicherweise wurde dieser Post von dem italienischen Künstler Street Art Tvboy inspiriert, der am Tag nach dem Einmarsch ein ähnliches Kunstwerk auf einer Wand in Rom erschuf.

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2) Einzelne Beiträge entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)