Die Behauptung

Ein Elternbrief der Grundschule Auerhammer in sächsischer Stadt erregt die Gemüter: „Raumtemperatur gesenkt, Schüler sollen Sitzkissen und Strickjacken mitbringen: Bürgermeister von Aue-Bad Schlema lässt unsere Kinder frieren!“

Unser Fazit

Der Brief ist echt, die Aufregung allerdings völlig unnötig. Diese Temperaturen gelten überall in Sachsen und die Vorgaben haben sich zu vor der Energiekrise kaum geändert.


Elternbrief in Aue-Bad Schlema: Energiesparen ist angesagt

Deutschland muss in der aktuellen Energiekrise Strom und Gas sparen, das macht auch vor den Kommunen und ihren Einrichtungen nicht halt. Die Grundschule Auerhammer in der sächsischen Kreisstadt Aue-Bad Schlema hat aus diesem Grund am 10. Oktober 2022 ein Schreiben verfasst. Sie teilt den Eltern ihrer Schülerinnen und Schüler mit, auf welche Temperaturen Räume ab sofort beheizt werden: Unterrichtsräume 20 °C und die Turnhalle 17 °C. Sie empfiehlt die Mitgabe von einem Sitzkissen für die Holzstühle und einer Strickjacke, die auch in der Schule verbleiben kann. Rechte Internetkanäle nutzen dieses Schreiben nun für Stimmungsmache:

Screenshot: Elternbrief der Grundschule Auerhammer als Stein des Anstoßes
Screenshot: Elternbrief der Grundschule Auerhammer als Stein des Anstoßes

Raumtemperatur gesenkt, Schüler sollen Sitzkissen und Strickjacken mitbringen: Bürgermeister von Aue – Bad Schlema lässt unsere Kinder frieren!

Auf Anweisung der Stadtverwaltung Aue – Bad Schlema unter Bürgermeister Heinrich Kohl (CDU) wird die Raumtemperatur in den Grundschulen auf 20 Grad gesenkt. Unsere Kinder sollen offenbar frieren. Die Schule empfiehlt, Sitzkissen und Strickjacken mitzubringen, um den Unterricht im Winter zu überstehen. Und regt an, sich bei den dafür verantwortlichen Entscheidungsträgern zu beschweren.

Abgesehen davon, dass niemand eine solche Politik umsetzen muss und auch eine Schulleitung Mut haben darf, dagegen aufzustehen, lässt die Stadtverwaltung in Aue – Bad Schlema unsere Kinder frieren. Die gleiche Stadtverwaltung, die zwei Jahre lang jede noch so unsinnige Coronamaßnahme durchgesetzt hat, sieht nun offenbar in kalten Schulräumen und einem dadurch erhöhten Risiko von Erkältungserkrankungen kein Problem mehr. Wahnsinn!

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Die Stadtsprecherin von Aue-Bad Schlema, Jana Hecker, bestätigte die Energiesparmaßnahmen, die dem Schreiben zugrunde liegen. Betroffen ist nicht nur die Grundschule Auerhammer, sondern weitere fünf öffentliche Schulen der Stadt. „Natürlich sind viele nicht begeistert, nachdem die Stadt bereits Warmwasser und einige Duschen in städtischen Sporthallen abgestellt hatte. Aber wir haben keine andere Chance“, so Hecker in einer Reportage von Tag24. Weitere Sparmaßnahmen sind geplant und werden bei der nächsten Stadtratssitzung am 26. Oktober besprochen.

Grundlage der Energiesparmaßnahmen an den Schulen

Seit 1. September gelten in Deutschland neue Regeln zum Energiesparen in öffentlichen Gebäuden. Diese sind in der „Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen“ (EnSikuMaV) festgehalten. Mimikama hat hier bereits ausführlich darüber berichtet. Schulen sind allerdings von diesen Regeln explizit ausgenommen. Die Grundlage für das Energiesparen an sächsischen Schulen sind „Gemeinsame Empfehlungen des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus und der kommunalen Spitzenverbände im Freistaat Sachsen zu Energiesparmaßnahmen für Schulen und Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Freistaat Sachsen“. Diese finden sich auf der Website des SMK.

Raumtemperatur
In Schulen und Kitas dürfen Mindesttemperaturen nicht unterschritten werden. So sollte in den Unterrichtsräumen der Schulen die Raumtemperatur nicht weniger als 20 Grad Celsius betragen. Für Gruppenräumen in Kitas ist eine Mindesttemperatur von 21 Grad Celsius vorgegeben, für Turnhallen hingegen 17 Grad Celsius.

Empfehlungen zu Energiesparmaßnahmen für Schulen und Kitas, Sächsisches Staatsministerium für Kultus

Auch vor dem 28. September, an dem diese „Gemeinsamen Empfehlungen“ formuliert wurden, gab es bereits Vorgaben für Temperaturen in Klassenräumen. Die Broschüre „Sichere Schule“ vom November 2014 der DGUV hält im Kapitel Raumluftqualität und Raumklima fest, wie die Luft in Schulklassen beschaffen sein soll. CO₂-Obergrenzen, Lüftverhalten, maximaler Luftzug, Luftfeuchte und Temperaturen werden festgehalten. Dabei beruft sich die Broschüre auf die Technischen Regel für Arbeitsstätten, insbesondere ASR A3.5 Raumtemperatur und ASR A3.6 Lüftung.

Das Raumklima
Das Raumklima wird im Wesentlichen durch die Raumtemperatur, Luftgeschwindigkeit und Luftfeuchte beeinflusst. Die Raumtemperatur sollte mindestens 20 °C und maximal 26 °C betragen. Angenehm wird eine Temperatur zwischen 20 °C und 22 °C empfunden.

Auszug aus der Broschüre „Sichere Schule“ der DGUV, November 2014

Die maximalen 26 Grad Celsius beziehen sich übrigens auf (sommerliche) Raumtemperaturen, die laut ASR A3.5 nicht überschritten werden dürfen und durch Maßnahmen wie Sonnenschutz, Lüftungseinrichtungen usw. reduziert werden sollen. Für Sporthallen schlägt die Broschüre „Sichere Schule“ eine schnelle Regelbarkeit der Temperatur vor, um „nutzungsspezifische Behaglichkeit“ herzustellen, und führt an, dass „aufgrund der ständigen Bewegung und Erwärmung der Sporttreibenden eine Temperatur von 17 bis 19 °C als ausreichend betrachtet“ wird. Grundlage ist hierfür die DIN 18032-1 (Abschnitt 9.1): „Als Nutzungstemperatur für die Sporthalle wird 17 °C empfohlen“.

Die aktuellen Vorgaben für Temperaturen in Klassenräumen und Sporthallen sind also sehr ähnlich zu jenen, die bereits vor der Energiekrise bestanden haben und entsprechen den Empfehlungen aus verschiedenen Normen.

Kälte allein macht nicht krank

Unabhängig davon, dass die vorgegebenen Temperaturen ausreichen und auch schon früher ausgereicht haben. Ist noch ein wichtiger Punkt festzuhalten: Für eine Erkältung sind niedrige Temperaturen allein nicht ausreichend. Für eine Erkältung „braucht es immer auch einen Krankheitserreger: gelegentlich Bakterien, in rund 95 Prozent aller Fälle aber allerlei verschiedene Viren“, erklärt die Biologin Uta Schindler in Spektrum der Wissenschaft. Der klassische Schnupfen, der grippaler Infekt, geht dabei meist auf das Konto von Rhinoviren.

Eine Erkältung ohne Viren, verursacht allein durch Kälte – unmöglich.

Uta Schindler im Artikel Verursacht Kälte eine Erkältung?

Etwa 20 Prozent der Menschen tragen ständig Erkältungserreger mit sich herum. Ist der Körper gesund und auf einer Betriebstemperatur von 37 °C, funktioniert die Abwehr dieser Viren sehr gut. Kühlt er aus, gewinnen die Viren leichter die Oberhand. Denn durch die bei Kälte eingeschränkte Durchblutung gelangen weniger Abwehrzellen auf die Schleimhäute. Der Aufenthalt in geheizten Räumen mit trockener Luft hat aber auch seine Tücken: ausgetrocknete Schleimhäute in Mund und Nase sind ebenso Einfallstore für Erreger.

Das ideale Raumklima ist also: nicht zu warm, nicht zu kalt und schon gar nicht zu trocken. Die Ansteckung mit Schnupfenviren geschieht häufig in geschlossenen Räumen durch Tröpfcheninfektion, also wenn andere Niesen, Husten oder sich Schnäuzen. Stress erhöht zusätzlich die Chance sich anzustecken.

FAZIT

Nein, Kinder müssen an der Grundschule Auerhammer in Aue-Bad Schlema nicht vorsätzlich frieren. Die Vorgaben für Temperaturen in Klassenräumen und Sporthallen sind angemessen und haben sich auch während der Energiekrise nicht grundlegend verändert. Ein warmes Jäckchen und ein Sitzkissen können trotzdem nicht schaden. Covid-19 ist immer noch nicht ausgestanden, deshalb wird auch bei der nächsten Welle wohl wieder überschwänglich gelüftet werden.

Die üblichen Verdächtigen aus dem rechten Spektrum werden aber wohl trotzdem noch weiter jammern. Deshalb zum Schluss folgende Geleitworte direkt aus der Kommentarspalte auf Facebook:

Es wird in Schulen nie wärmer als 20 Grad geheizt. Ein Kind hat ca. 80-100 Watt Wärmeabgabe, fette Kinder mehr. Wenn so ein Raum mit 25-30 Personen besetzt wird, dann heizen die mit 2-3 kW. Habt ihr Querschläfer alle in Physik gepennt?

Kommentar unter dem „Rumgejammer“ einer selbsterklärten Bürgerbewegung



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2) Einzelne Beiträge entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)