Die Behauptung

Seit einigen Tagen berichten diversen Medien über einen „Zombie-Virus“, der in der Arktis entdeckt wurde und auf Social Media zu den wildesten Spekulationen führt.

Unser Fazit

Die entdeckten und reaktivierten Viren befallen nur eine bestimmte Art von Amöben, rein biologisch können sie menschliche Zellen überhaupt nicht angreifen.

Die Meldung eignet sich natürlich hervorragend für Memes, Panikmache und Befürchtungen: Ein Team europäischer Wissenschaftler hat ein 48.500 Jahre altes Virus aus dem sibirischen Permafrostboden wiederbelebt. Da kann man ja in Überschriften schonmal fragen, ob uns die nächste Pandemie droht, oder?
Nein – Es sei denn, ihr seid eine bestimmte Amöbenart, denn für Menschen kann das Virus gar nicht gefährlich werden!

Die Panik-Schlagzeilen

„Zombie-Virus“ alleine klingt ja schon toll, da dabei jeder an irgendwelche Horrorfilme denkt, an Viren, die einen „zombifizieren“ können, dabei geht es nicht um einen Virus, der einem zum Zombie macht, sondern um Viren, die „wiederbelebt“ wurden – wobei das auch wiederum falsch ist, da Viren keine Lebewesen sind, weswegen das Schlagwort „Zombie-Virus“ bereits in die Irre führt.

MIMIKAMA
Einige Schlagzeilen zum „Zombie-Virus“, Quellen: t3n, RTL, Express, Volksstimme

Eine der Medien („Kadaver in der Arktis“) schaffte es sogar, den Fundort der Viren (ja, es wurden nicht nur ein, sondern 13 bisher unbekannte Viren gefunden) mit einem Fund von 2015 zu verwechseln, der allerdings auch nicht in einem Kadaver war, sondern nur ein Kadaver als möglichen Fundort für Viren angab.

Und da viele anscheinend wirklich nur das Wort „Zombie-Virus“ lesen, wird der Fund auch wortwörtlich genommen:

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Welche Viren entdeckt wurden

Die aktuelle Studie, welche HIER einsehbar ist, wurde durchgeführt, um ein besseres Verständnis der von diesen sogenannten „Zombie-Viren“ ausgehenden Risiken zu gewinnen. Dabei ist zu beachten, dass es sich zum jetzigen Zeitpunkt noch um einen Pre-Print handelt, die Studie also noch nicht von anderen Fachleuten auf ihre Korrektheit überprüft wurde.

Zwar wird der Begriff „Zombie-Virus“ auch in der Studie verwendet, dies allerdings bewusst mit Anführungszeichen, denn da Viren keine Lebewesen sind, können sie auch nicht wieder „zum Leben erweckt“, wohl aber reaktiviert werden – was mit den gefundenen Viren gelang.

Die 13 neu entdeckten Viren wurden aus 7 verschiedenen alten sibirischen Permafrostproben isoliert, davon 1 aus dem Fluss Lena und 1 aus dem Kryosol von Kamtschatka. Es handelt sich dabei um Pandoraviren, Cedratviren, Megaviren und Pacmanviren (ja, die heißen wirklich so!) sowie ein neuer Pithovirus-Stamm.

Für Forscher sind diese Viren furchtbar interessant, da sie ungewöhnlich groß sind. Nehmen wir als Beispiel die Pandoraviren: Sie sind einen halben Mikrometer breit sowie einen Mikrometer lang, wodurch sie sogar unter einem Lichtmikroskop sichtbar sind. Zudem besitzen sie ein Genom, welches Bakterien ähnlich ist, weshalb lange unklar war, ob es sich um Bakterien oder Viren handelt.

Können diese Viren dem Menschen gefährlich werden?

Wer einen Blick in die Studie geworfen hat, kann sich die Antwort schon denken, denn all diese Viren haben eines gemeinsam: Sie befallen Acanthamoeba spp., oder einfach ausgedrückt: Amöben.

In der Evolution liegen zwischen Amöben und menschlichen Zellen rund 1 Milliarde Jahre, bildlich gesprochen sind Menschen also eher mit einem Schwamm verwandt als mit einer Amöbe. Rein biologisch ist es also nicht möglich, dass diese Viren für den Menschen gefährlich werden.

Warum werden sie untersucht, wenn sie nicht gefährlich werden können?

Auch wenn es manche Leute nicht wahrhaben wollen: Wir erleben gerade einen menschengemachten Klimawandel, welcher dazu führt, dass die Permafrostböden der Arktis langsam abtauen und damit auch Viren, Bakterien und Einzeller auftauchen können, die den Dauerfrost überlebt haben und sich weitervermehren könnten.

Da durch die Studie eventuell bewiesen wurde, dass Amöbenviren in Permafrostböden überleben können, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass irgendwann auch Viren auftauen und sich vermehren, die für den Menschen gefährlich sein könnten.

Derzeit ist die Gefahr noch nicht besonders groß, da weniger als 5 Millionen Menschen in der unmittelbaren Nähe des arktischen Permafrosts leben (was aber auch schon eine hohe Zahl ist), doch da die schmelzenden Böden auch neue Möglichkeiten bieten, beispielsweise an Rohstoffe zu kommen, werden dort auch mehr Menschen und mehr Infrastruktur entstehen – und mehr Chancen für potenziell gefährliche Viren, Menschen zu infizieren.

Fazit

Es ist also unsinnig, sich jetzt Sorgen um einen „Zombie-Virus“ zu machen, der einen nicht zombifiziert oder überhaupt infizieren kann. Wenn ihr aber Acanthamoeba spp. seid und dies gerade lest: Sorry, ihr müsst aufpassen.

Die Gefahr liegt aber eher in einer möglichen Zukunft, in der Viren auftauen, die auch Menschen gefährlich werden könnten, kombiniert mit einer wachsenden Infrastruktur und somit auch mehr Menschen in den Gebieten, in denen jetzt noch Permafrost herrscht.

Artikelbild: bioRxiv
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