Der umstrittene Beschluss des Amtsgerichts Weimar

Autor: Ralf Nowotny

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Der umstrittene Beschluss des Amtsgerichts Weimar
Artikelbild: Shutterstock / Von Onjira Leibe

Ein augenscheinlicher Beschluss des Amtsgerichts Weimar sorgte an diesem Wochenende für Aufregung – und Fehlschlüssen in „Querdenker“-Gruppen.

Am Wochenende tauchte im Internet eine PDF-Datei auf, welche sogleich auf diversen Seiten verbreitet wurde und für entsprechende Aufregung sorgt: Augenscheinlich gab es am Donnerstag, dem 8. April einen Beschluss des Amtsgerichts Weimar, welches – so die Auffassung jener Seiten – die Masken-, Abstands- und Testpflicht an Schulen aushebele.

Der augenscheinliche Beschluss

Zu Beginn der PDF-Datei wird ein Aktenzeichen und der Beschluss in einer Kurzfassung genannt. Auffällig ist, dass die Namen der Kläger und der Schule nicht genannt werden, auch findet sich in der Datei kein Siegel des Amtsgerichts, was darauf hindeutet, dass es kein offizielles Dokument des Amtsgerichts ist.

Die augenscheinliche einstweilige Anordnung des Amtsgerichts Weimar
Die augenscheinliche einstweilige Anordnung des Amtsgerichts Weimar

In der Einleitung des Schriftstücks wird erläutert, dass die Klägerin, die Mutter zweier Kinder im Alter von 8 und 14 Jahren, ein „Kinderschutzverfahren gem. § 1666 Abs. 1 und 4 BGB“ angeregt habe.
Wörtlich heißt es dort:

„Ihre Mutter macht geltend, dass durch den für ihre Kinder in deren Schulen geltenden Zwang, eine Gesichtsmaske zu tragen und untereinander und zu anderen Personen Mindestabstände einzuhalten, das Wohl ihrer Kinder gefährdet sei.
Die Kinder würden physisch, psychisch und pädagogisch geschädigt, ohne dass dem ein Nutzen für die Kinder oder Dritte gegenüberstehe. Dadurch würden zugleich zahlreiche Rechte der Kinder und ihrer Eltern aus Gesetz, Verfassung und internationalen Konventionen verletzt.“

Ungewöhnlicherweise klagte zwar die Mutter im Namen ihrer beiden Kinder, das Amtsgericht erweiterte den Beschluss jedoch komplett auf die beiden Schulen und somit auch auf die Mitschüler, die gar nicht Gegenstand des Verfahrens waren.

Das Bildungsministerium Thüringen widerspricht

Das Amtsgericht Weimar kann sich erst frühestens am Montag, dem 12. April zu dem augenscheinlichen Beschluss äußern, doch das Bildungsministerium Thüringen stellte bereits klar, dass der Beschluss keine Auswirkungen auf die Infektionsschutzmaßnahmen, die für die Thüringer Schulen insgesamt angeordneten wurden, hat.

Hier zu der Verlautbarung des Bildungsministeriums: Beschluss des Familiengerichts Weimar hat keine Auswirkungen für Thüringen 

Demnach stellt das Thüringer Bildungsministerium fest, dass es bisher noch gar keine ordnungsgemäße Bekanntgabe des Beschlusses gibt, bisher kursiert nur jene PDF-Datei.

Zudem kann jener Beschluss, genau wie jede andere gerichtliche Entscheidung, nur für die am Verfahren Beteiligten rechtlich wirksam sein, aber nicht für alle anderen Schüler.

Zusätzlich gibt es begründete, verfahrensrechtliche Zweifel an der Gültigkeit des Beschlusses, da sich die Zuständigkeit des Familiengerichts in Sorgerechtsverfahren auf Fragen des Sorgerechts beschränkt, es kann aber nicht über Infektionsschutzmaßnahmen entscheiden; dies obliegt den Verwaltungsgerichten.

Gemäß dem Thüringer Bildungsministerium gelten alle bisherigen Maßnahmen an Thüringer Schulen auch weiterhin.

Bezüglich jenes vornehmlichen Beschlusses wird das Bildungsministerium sich mit den Schulen austauschen.

Zweifelhafte Gutachter

In dem Beschluss kommen auch drei Gutachter zu Wort, die sich hinsichtlich der Maßnahmen äußern, während ungewöhnlicherweise weder die Schulen, noch das Bildungsministerium gehört wurden.

Diese drei Gutachter sind:

Prof. Dr. Christof Kuhbandner, Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie an der Universität Regensburg: Seinen Namen las man im April 2020 in den Schlagzeilen, als er die Meinung vertrat, dass es keine wissenschaftlichen Begründungen für die Corona-Maßnahmen gebe und die Situation „gar nicht so dramatisch sei“ (siehe HIER)

Prof. Dr. med. Ines Kappstein, leitende Hygienikerin des Klinikums Passau, Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie: Im Oktober 2020 kritisierte sie in einem Fachartikel die Maskenpflicht in der Öffentlichkeit (siehe HIER). Das Klinikum Passau distanzierte sich von ihren Aussagen, die rein privater Natur seien und nicht der Auffassung des Klinikums entsprechen (siehe HIER).

Prof. Dr. rer. biol. hum. Ulrike Kämmerer, Universitätsklinikum Würzburg, Humanbiologie, Immunologie und Zellbiologie: Ihr Aussage, dass der PCR-Test keine Infektion nachweisen kann, kursierte im September 2020 als Sharepic (siehe unseren Artikel dazu HIER). Sie steht in Verbindung mit der „Stiftung Corona-Ausschuss“, welcher unter anderem von Dr. Reiner Füllmich geleitet wird, der seit dem letzten Jahr in den USA eine Sammelklage gegen Dr. Christian Drosten anstrebt (siehe unseren Artikel HIER).

Die Auswahl der Gutachter scheint also auch mit viel gutem Willen sehr subjektiv zu sein.

Fazit

Ob das Dokument in seiner Gesamtheit nun echt ist, wird sich in den nächsten Tagen zeigen, und wenn es das ist, steht noch die Frage im Raum, ob dies rechtlich überhaupt legitim ist, was das Gericht beschloss. So zweifelt der Rechtsanwalt Chan-jo Jun in einem Thread auf Twitter (siehe HIER) ebenfalls mehrere Punkte des Schreibens an.

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