Verlangt Facebook wirklich ein Selfie, um ein gesperrtes Konto freischalten zu lassen? Stimmt das? Was sind die Hintergründe und was müssen User jetzt wissen?
Nachdem es Facebook in der Vergangenheit nie gelungen war, seine User zum Upload eines authentischen Fotos zu zwingen, scheint dieser Vorstoß auf den ersten Blick ein weiterer, aggressiver Versuch des Netzwerks zu sein, seine Nutzerprofile mit echten und damit ungleich wertvolleren, weil abgleichbaren Fotos zu vervollständigen.
Diesen Tenor hat zumindest ein Artikel der Online-Präsenz der Zeitschrift „Brigitte“.
„Facebook bittet einige Nutzer, ein Selfie von sich hochzuladen, auf dem das Gesicht „klar zu erkennen“ ist – ansonsten sperrt das soziale Netzwerk den Zugriff auf das Konto.“
Damit wollen die Plattformbetreiber, so „Brigitte“ weiter, „herausfinden, ob hinter dem Profil tatsächlich ein Mensch steckt – und nicht etwa ein Bot, also ein Computerprogramm“
Das Frauenmagazin beruft sich auf einen Bericht des Onlinemagazins „Wired“ vom 28.11.17, in dem es heißt:
Hintergrund ist die angebliche Erfahrung eines Facebook-Users, der beim Loginversuch anstelle seines Profils die Aufforderung vorgefunden habe „ein Foto von sich hochzuladen, welches eindeutig sein Gesicht zeigt.“
“Please upload a photo of yourself that clearly shows your face. We’ll check it and then permanently delete it from our servers.”
Mit dieser Ansage und ohne nachvollziehbare Begründung habe das Netzwerk ihm den Zugang zu seinem Account bis zur Verifizierung verweigert. Der Screenshot, den der Betroffene auf Twitter gepostet habe, sollte dies beweisen, ist aber inzwischen unter dem entsprechenden Link nicht mehr aufzufinden.
Die „Roboter-Verdachts-Theorie“ postuliert auch „Wired“ gleich als Überschrift:
„FACEBOOK MAY SOON ask you to „upload a photo of yourself that clearly shows your face,“ to prove you’re not a bot.“
Das Thema „Gesichtserkennung“, ein heißes Eisen ohne Zweifel, ist auch ein gefundenes Fressen für selbst ernannte „Datenschützer“, die das Thema begierig aufgreifen. So zum Beispiel eine Domain mit dem vielsagenden Namen „DDR 2.0“ und zwar mit einem Zitat der als Verbreiter von tendenziösen „Tatsachen“ und staatsfeindlichen Meldungen bekannten Präsenz RTDeutsch.
„Facebook will auf Nummer sicher gehen. Um „russischen Bots“ das digitale Wasser abzugraben, sollen Nutzer nun Selfies hochladen, um so ihre Identität zu bestätigen.“ ist für die Verantwortlichen bereits „Fakt“.
Schlüssige Indizien oder gar eine Quellenangabe sucht man allerdings vergeblich.
Gleiches gilt für den Bericht von „Wired“, in dem vage von einem „Unternehmenssprecher“ die Rede ist, der dem Magazin gegenüber die verschärften Kontrollen angeblich wie folgt begründet hat:
„In a statement to WIRED, a Facebook spokesperson said the photo test is intended to “help us catch suspicious activity at various points of interaction on the site, including creating an account, sending Friend requests, setting up ads payments, and creating or editing ads.”
„In einer Stellungnahme gegenüber WIRED sagte ein Facebook-Sprecher, der Fotobeweis sei mit der Absicht eingeführt worden, verdächtige Aktivitäten im Zusammenhang mit vielfältigen Interaktionen mit der Plattform zu erkennen, unter anderem die Eröffnung eines Accounts, das Verschicken von Freundschaftsanfragen, Bezahlte Werbung und die Erstellung und Bearbeitung von Anzeigen.“
*Übersetzung der Redaktion
So hohl die Begründung, so frei erfunden sie auch klingt, sie erreicht doch, dass quasi jeder Facebook-Nutzer per se „suspekte Handlungen“ begeht und damit ein potentieller Verdächtiger ist. Was, weiter fabuliert, zu dem Schluss führen kann, dass wir alle miteinander früher oder später mit der Gesichtskontrolle konfrontiert werden.
Dabei dürfte aufmerksamen Mitgliedern aufgefallen sein, dass die Möglichkeit der Gesichtserkennung seit Jahren auf der Plattform zumindest angelegt ist. Die „Markierungsvorschläge“ von Freunden arbeiten mit demselben Algorithmus, den die Betreiber seither ständig verfeinern, allerdings war das Feature bisher in Europa nicht aktivierbar, jetzt wollen die Betreiber „nachrüsten“.
„On Facebook, face recognition helps people tag photos with the names of their friends. When you have face recognition enabled, our technology analyzes the pixels in photos you’re already tagged in and generates a string of numbers we call a template. When photos and videos are uploaded to our systems, we compare those images to the template.“
„Auf Facebook hilft die Gesichtserkennung Nutzern dabei, Fotos mit den Namen ihrer Freund zu markieren. Wenn man die Gesichtserkennung aktiviert hat, analyisiert und vergleicht unsere Technologie die einzelnen Pixel im Bild mit solchen, auf denen man bereits markiert ist und generiert eine Nummernfolge, die wir als „Template“ bezeichnen. Wenn Fotos und Videos hochgeladen werden, gleichen wir sie mit den bereits vorhandenen Templates ab.“
*Übersetzung der Redaktion
Zum gleichen Schluss kommt „Heise Online“:
„Die Gesichtserkennung in Facebook war bislang in Europa nicht aktiviert. Das soll sich ändern: Künftig sollen die Nutzer selbst entscheiden, ob sie die umstrittene Funktion nutzen möchten.“
Facebook wolle im Zusammenhang mit der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) Verfahren testen, mit denen die Anwender selbst entscheiden, welche Daten sie öffentlich teilen wollen und welche nicht. Der Test soll sich zunächst auf einen „kleinen Prozentsatz“ der Nutzer beschränken“.
„Die Verwendung der Gesichtserkennung ist völlig freiwillig“, teilte Facebook in einem Blog-Eintrag mit. Die Aktivierung werde vorgeschlagen und müsse aktiv bestätigt werden. Wenn der User nichts unternehme oder den Vorschlag ablehne, bleibe die von Datenschützern kritisierte Gesichtserkennung ausgeschaltet.
Wer sich für das „Opt-in“ entscheide, werde künftig benachrichtigt, wenn ein anderer User das Foto des Betroffenen als sein Profilfoto hochlade. Damit wolle Facebook verhindern, dass Menschen sich als andere auf der Plattform ausgeben.
So ist die Funktion laut Facebook wie immer der Sicherheit und dem „Nutzererlebnis“ dienlich. Sehbehinderten helfe sie überdies und eine engmaschige Überwachung sorge dafür, dass mit der Anwendung kein Missbrauch betrieben werden könne. Der übliche einlullende Duktus kann trotzdem keinen einigermaßen phantasiebegabten Menschen über die Möglichkeiten einer Funktion hinwegtäuschen, die Usern die eindeutige Identifizierung anderer Teilnehmer und das Teilen entsprechender Inhalte erlaubt.
Auch betreiberseitig sorgt das Procedere für Verärgerung; bereits vor einem Jahr machten aufgebrachte User, denen – begründet oder nicht – auf diese Weise der Zugang zum Account verweigert wurde, ihrem Unmut auf Reddit Luft. Wie das System sich in Deutschland anlässt, darf mit Spannung erwartet werden.
Quellen:
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