Die digitale Welt bietet unzählige Möglichkeiten, Informationen zu verbreiten. Doch nicht alles, was geteilt wird, ist wahr oder respektvoll. Ein aktuelles Beispiel ist das Foto von Tessa Ganserer, einer bekannten deutschen Politikerin, das derzeit im Internet kursiert. Doch wer steckt wirklich dahinter und was sind die Absichten?

Doch zunächst ein Blick zurück ins Jahr 2019, denn da war Tessa Ganserer schon einmal Thema

Im Jahr 2019 kursierte vor allem in einschlägigen Kreisen ein Foto von fünf Personen (wir berichteten). Die damalige Behauptung: Es handele sich um Abgeordnete der Grünen im Bayerischen Landtag. Eine der abgebildeten Personen ist tatsächlich Politikerin: Tessa Ganserer, die erfolgreich gegen eine Internetplattform vorging, die sie und die anderen Personen auf dem Foto diffamiert hatte.

Was war geschehen? 2019 wurde Tessa Ganserer, zusammen mit anderen Personen, auf einem im Internet verbreiteten Foto diffamiert. Eine rechtspopulistische Plattform verbreitete dieses Bild und kommentierte die abgebildeten Personen als „Lachnummern“ sowie mit weiteren herabwürdigenden Bemerkungen. Die betroffene Politikerin entschied sich, gerichtlich gegen die Plattform vorzugehen.

Ein erstes Urteil verhängte eine Strafe von 3.200 Euro gegen den Betreiber der Plattform. Nach Berufung erhöhte das Landgericht Nürnberg-Fürth diese Summe jedoch auf 24.000 Euro und begründete die Entscheidung damit, dass die Kommentare des Betreibers als Menschenrechtsverletzung und Beleidigung angesehen wurden. Der Betreiber steht nun vor der Möglichkeit einer weiteren Berufung, riskiert jedoch gleichzeitig eine Strafe von bis zu 250.000 Euro oder sechs Monaten Haft, sollte er das Bild und seine Kommentare erneut veröffentlichen.

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Wer ist Tessa Ganserer?

Tessa Ganserer machte 2018 als erste deutsche Abgeordnete von sich reden, indem sie ihre Transidentität öffentlich machte. Mit ihrer Wahl in den Bundestag 2021 hat sie gemeinsam mit Nyke Slawik einen Meilenstein in der Geschichte des Parlaments gesetzt: Zwei Transfrauen im Deutschen Bundestag. Eine mutige Entscheidung in einer oft konservativen politischen Landschaft, vor allem wenn man bedenkt, wie schwer der Weg zur offiziellen Anerkennung als Frau für sie war. Ein respektvoller Umgang mit ihrer Identität sollte selbstverständlich sein. Doch wie das aktuelle Foto zeigt, ist das nicht immer der Fall.

Jetzt kursiert wieder ein Foto im Netz und es bleibt abzuwarten, ob Tessa Ganserer erneut den Rechtsweg beschreiten wird. Da das Bild immer wieder neu gepostet wird, dürfte es schwierig werden, den ursprünglichen Urheber des „Sharepics“ ausfindig zu machen.

Das umstrittene Foto – Tief verwurzelte Diskriminierung in digitaler Form

Das Foto von Tessa Ganserer, aufgenommen während einer Bundestagssitzung, scheint auf den ersten Blick ein gewöhnliches Porträt einer Politikerin zu sein.

Sharepic mit Tessa Ganserer und der Aufschrift  "Es ist nicht der Bahnhofsstrich, nein ein deutscher grüner Politiker im Bundestag. Spiegelt den Zustand des Landes wieder" (sic!)
Screenshot: Soziale Medien wie Facebook, Twitter und via WhatsApp

Auf dem Bild steht „Es ist nicht der Bahnhofsstrich, nein ein deutscher grüner Politiker im Bundestag. Spiegelt den Zustand des Landes wieder“ (sic!)

Handelt es sich um ein authentisches Foto?

Ja, tatsächlich stammt das Bild aus der Bilddatenbank von „Imago-Images“. Imago ist eine deutsche Nachrichten- und Bildagentur mit Sitz in Berlin. Das Unternehmen wurde 1997 gegründet. Es vermarktet tagesaktuelle und lizenzpflichtige Nachrichtenbilder.

Die dazugehörige Bildunterschrift lautet: „Politikerin Tessa Ganserer (Grüne) während der 116. Sitzung des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude. Aufgenommen am 07.07.2023 in Berlin, Deutschland.“ Das Foto findet man HIER bei IMAGO vor.

Nun stellt sich eine weitere Frage: Wurde das Foto, von dem eigentlichen Ersteller des angeführten Sharepics, rechtmäßig erworben oder einfach aus dem Internet kopiert und gestohlen?

Solche Fotos unterliege nämlich einer Lizenzpflicht „Wer kann Lizenzen von IMAGO erwerben? Unser Angebot richtet sich an professionelle Nutzer. Lizenzen können sowohl von Unternehmen als auch von Einzelpersonen erworben werden (z. B. wenn Sie als freiberuflicher Redakteur für mehrere Kunden arbeiten)“ und vor allem steht bei den FAQ folgender wichtiger Hinweis: „Bei der Veröffentlichung sind die geltenden Vorschriften zum Schutz der Persönlichkeitsrechte abgebildeter natürlicher oder juristischer Personen zu beachten; diese finden sich z.B. in §22, 23 KUG. Insbesondere die diffamierende oder entstellende Verwendung des Bildmaterials sollte stets vermieden werden.

Weiters schreibt IMAGO in seinen AGB unter Punkt 18: „Bei nicht genehmigter bzw. nicht gemeldeter Nutzung oder Weitergabe des Bild- und Videomaterials wird das fünffache Honorar der jeweiligen Honorarempfehlungen berechnet, die in der aktuellsten Publikation der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing zu finden sind. Diese wird auf der Website des Bundesverbands professioneller Bildanbieter www.bvpa.de veröffentlicht.“

Es wird jedoch durch den bewusst irreführenden Begleittext in ein dunkles Licht gerückt. Dieser respektlose Kommentar,„Es ist nicht der Bahnhofsstrich, nein ein deutscher grüner Politiker im Bundestag. Spiegelt den Zustand des Landes wieder“ (sic!), der darauf abzielt, Tessa Ganserer aufgrund ihrer Transidentität lächerlich zu machen, ist mehr als nur eine einzelne unbedachte Handlung. Er ist ein beunruhigendes Symbol für die gezielte und bewusste Diskriminierung, die Trans-Personen in den unterschiedlichsten Formen immer wieder erfahren.

Doch was treibt Menschen dazu, solche verzerrenden und schädigenden Informationen zu verbreiten? Meist sind es Vorurteile und fehlgeleitete Überzeugungen, die solche Handlungen motivieren. In einer Zeit, in der die Anerkennung und Akzeptanz sexueller Identitäten immer mehr an Bedeutung gewinnt, gibt es immer noch Menschen, die sich diesem Fortschritt entgegenstellen. Sie sehen in der Vielfalt eine Bedrohung ihres eigenen Weltbildes und versuchen, durch die Verbreitung solcher Hetzinhalte Unsicherheit und Zwietracht zu säen.

Es gibt auch Gruppen und Organisationen mit spezifischen Agenden, die gezielt versuchen, öffentliche Meinungen und Sichtweisen zu manipulieren. In einigen Fällen geschieht dies, um politische Gegner zu diskreditieren, in anderen Fällen, um soziale Gräben zu vertiefen und Spannungen zu schüren.

Die Verbreitung solcher Fotos, insbesondere mit manipulativen und irreführenden Kommentaren, ist daher nicht nur ein direkter Angriff auf die betroffene Person. Es ist auch ein Versuch, Vorurteile in der Gesellschaft zu verankern und Menschen in ihrer Meinung zu beeinflussen. Um dieser Art von Desinformation entgegenzuwirken, ist es wichtig, kritisch zu bleiben und sich stets aus verlässlichen Quellen zu informieren.

Das wachsende Phänomen gezielter Online-Hetze

Im digitalen Zeitalter haben wir gesehen: Das Internet hat die Kommunikation revolutioniert. Diese Revolution hat aber auch unerwünschte Nebenwirkungen mit sich gebracht. Eine davon ist die gezielte Hetze im Netz, ein Problem, das in den letzten Jahren alarmierend zugenommen hat.

Die digitale Welt hat uns eine Plattform für den Austausch von Meinungen, Gedanken und Ideen gegeben. Leider hat sie aber auch denjenigen eine Stimme gegeben, die Hass, Vorurteile und Intoleranz verbreiten wollen. Unter dem Deckmantel der Anonymität fühlen sich viele sicher und berechtigt, schädliche Geschichten zu verbreiten, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.

Tessa Ganserer: Im Fadenkreuz

Der Fall von Tessa Ganserer ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie schnell und umfassend sich gezielter Hass im Internet verbreiten kann. Als prominente Trans-Politikerin wurde sie zum Blitzableiter für jene, die ihre eigenen Vorurteile und Intoleranz online ausleben wollten. Doch warum werden gerade Trans-Personen so oft zur Zielscheibe?

Transgender leben oft im Spannungsfeld gesellschaftlicher Normen und Erwartungen. Das macht sie zu einer leichten Zielscheibe für diejenigen, die Angst vor dem Unbekannten haben oder die Welt in streng binären Kategorien sehen wollen. Die gezielte Hetze gegen sie versucht, ihre Existenz zu delegitimieren und das Narrativ zu verbreiten, sie seien „anders“ oder „weniger als“.

Der Schutz der digitalen Gemeinschaft

Die Geschwindigkeit, mit der Informationen (oder Desinformationen) über das Internet verbreitet werden können, ist beispiellos. Ein einziger Tweet, ein Bild oder ein Kommentar können viral gehen und das Leben eines Menschen in Sekundenschnelle verändern. Es liegt daher in unserer gemeinsamen Verantwortung, kritisch mit den Informationen umzugehen, die uns im Internet begegnen.

Was bedeutet „Trans“?

Die Geschlechtsidentität kann sich auf vielfältige Weise manifestieren: Vom einfachen Wechsel des Kleidungsstils über den sozialen Wechsel der Geschlechterrolle bis hin zu Hormontherapien oder chirurgischen Anpassungen, um dem inneren Geschlechtsempfinden zu entsprechen. In diesem Zusammenhang wird „trans“ häufig als Sammelbegriff verwendet, um die Vielzahl von Geschlechtsidentitäten und -varianten unter einem gemeinsamen Begriff zusammenzufassen.

Fazit: Die Verantwortung des Informationszeitalters

Wir alle müssen Verantwortung übernehmen in einem Zeitalter, in dem jeder Produzent und Konsument von Inhalten ist. Das Beispiel von Tessa Ganserer erinnert uns daran, wie verheerend Hass im Internet sein kann und wie wichtig es ist, dass wir alle gemeinsam gegen Diskriminierung und Vorurteile vorgehen. Es liegt an uns, den digitalen Raum sicher, respektvoll und inklusiv für alle zu gestalten. Nur so können wir sicherstellen, dass das Internet ein Ort bleibt, an dem Ideen und Gemeinschaften gedeihen und nicht zerstört werden.

Artikelbild:
Credit: IMAGO / Panama Pictures
Informationen: Politikerin Tessa Ganserer (Grüne) in der 116. Sitzung des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude. Berlin, 07.07.2023 Berlin Deutschland *** Politician Tessa Ganserer Green Party in the 116 session of the German Bundestag in the Reichstag building Berlin, 07 07 2023 Berlin Germany Copyright: Christoph Hardt

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