Auf Social Media wird das Ende der Demokratie in Deutschland angeprangert. Doch ist die Angst vor einem Ermächtigungsgesetz 2.0 wirklich begründet?

Als Anfang November die Meldung die Runde machte, dass der Bundestag zügig Neuerungen zum seit Mai bestehenden Infektionsschutzgesetz beschließen will, folgte ein Aufschrei so mancher Maßnahmen-Gegner*Innen im Internet. Dabei ging es auch um die Angst vor einem neuen Ermächtigungsgesetz.

Laut dpa sind die jetzigen Corona-Maßnahmen demokratisch legitimiert. Das Infektionsschutzgesetz, das im Mai das Seuchengesetz ablöste, sorgte bisher für diese Legitimierung. Auf dessen Grundlage darf der Staat zum Schutz vor Infektion in die Grundrechte eingreifen, solange die Maßnahmen verhältnismäßig sind. Für die Umsetzung sind die Länder zuständig.

Im Paragraf 28 des Infektionsschutzgesetzes heißt es demnach: „die notwendigen Schutzmaßnahmen ergreifen, „soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.“

Nun sollen Formulierungen nach Plänen der Union und SPD daraus nun präzisiert werden. Dazu gehört auch eine Aufzählung von konkreten Maßnahmen, wie z.B. die pandemiebegründete zeitweise Schließung der Gastronomie. Diese präziseren Formulierungen sollen auch der rechtlichen Absicherung der Maßnahmen dienen.

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Beim Wort Ermächtigungsgesetz muss man stark auf die Formulierung achten

Manche Corona-Gegner*Innen scheint es nun auf die Barrikaden zu treiben. In einem auf Social Media verbreiteten Artikel heißt es, die Neuerungen im Infektionsschutzgesetz kämen einem „Ermächtigungsgesetz 2.0“ gleich und der Weg damit in eine „offene Diktatur besiegelt“.

Hier wird es schwierig, denn „Ermächtigungsgesetz 2.0“ deutet auf eine Neuauflage hin, was eine starke Assoziation zum Ermächtigungsgesetz von 1933 hervorrufen kann. Ein solcher Vergleich ist jedoch irreführend und geschichtsverzerrend, da unzulässige Verknüpfungen zum Dritten Reich hergestellt werden.

Unabhängig davon kritisiert die Juristin Anika Klafki in der WELT die Bezeichnung Ermächtigungsgesetz in diesem Fall: „Wir Juristen sprechen zwar von Ermächtigungsgrundlage, wenn die Legislative der Exekutive Befugnisse einräumt. Das ist aber kein Ermächtigungsgesetz, mit dem die Demokratie ausgehebelt wird.“

Dennoch gibt es Kritik aus der juristischen Ecke was die Abwägung von Grundrechten betrifft

In einem Bericht des Bundestages vom 12. November über den Entwurf wird die Juristin Dr. Andrea Kießling von der Ruhr Universität Bochum erwähnt. Sie weist daraufhin, dass der Paragraf 28a den Vorgaben von Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz nicht genüge.

„Die Vorschrift lasse keinerlei Abwägung der grundrechtlich betroffenen Interessen erkennen. Gerichte würden die Vorschrift höchstwahrscheinlich nicht als Rechtsgrundlage akzeptieren.“

Auch Klafki kritisiert in der WELT: „Ich hätte mir gewünscht, dass die grundrechtseinschränkenden Maßnahmen genauer geregelt werden.“ Dennoch gibt es auch Dinge, die Jursit*Innen am erneuerten Infektionsschutzgesetz begrüßen. So wird für die Regierung eine Begründungs- und Berichtspflicht über die „Entwicklung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ eingeführt.

Laut dpa ist der Beschluss für die aktuelle Kalenderwoche ab dem 16. November angedacht. Die Corona-Gegner*Innen, die vor jenem vermeintlichen „Ermächtigungsgesetz“ warnen rüsten, sich für den 18.11 als Stichtag. Auf Social Media gibt es bereits Aufrufe für eine Protestversammlung, die an jenem Tag um 9 Uhr vor dem Bundestag stattfinden soll.

Nachtrag:

In diesem Text wurden ein paar Stellen geändert oder hinzugefügt, da uns einige kritische Nachrichten erreichten, dass es sich hierbei doch um ein Ermächtigungsgesetz handele. Deswegen nun die juristischen Begründung von Anika Klafki als Ergänzung sowie die stärkere Herausarbeitung einer möglichen irreführenden Assoziation mit „Ermächtigungsgesetzes 2.0“ und dem Dritten Reich.

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