Stellen Sie sich vor, Sie hinterlassen einen Kommentar unter einem Facebook-Beitrag und im nächsten Moment erscheint darunter eine mysteriöse Antwort. Emotional aufgeladen, herzzerreißend – und vollkommen automatisiert.

Der Bot, der weint: Maschinenemotionen als Köder

„Hallo Geliebte in Christus…“ So beginnt ein Kommentar, der in kürzester Zeit hundertfach unter Beiträgen auf Facebook erschien. Das Muster ist auffällig: Ein automatisierter Bot postet, ungefragt und ununterbrochen, tragische Geschichten in den Kommentarspalten. Doch wozu?

MIMIKAMA
Screenshot Kommentar / Facebook

Hier der Kommentar als Wortlaut:

„Hallo Geliebte in Christus. Wenn Sie diese Nachricht senden, werden Sie wissen, dass Gottes Werk mich dazu veranlasst hat, Sie aus vielen Menschen im Internet auszuwählen, um Ihnen eine schwierige Aufgabe zu übertragen, die Sie sich nicht sofort vorstellen können, und die er mit größter Zuversicht erledigen wird.

Es tut mir leid, Sie so zu kontaktieren. Schweren Herzens und mit Tränen in den Augen schreibe ich diese Nachricht. Es fällt mir schwer, diese Nachricht vor dem Computer zu schreiben. Mein Name ist Ewa, geboren am 20. Februar 1929. Ich bin niederländische Staatsbürgerin und lebe in Frankreich, verwitwet und ohne Kinder. Ich hatte mit meinem Mann keine Kinder, weil er unfruchtbar war, aber nach seinem Tod liebte ich ihn. Ich möchte nicht schummeln, ich respektiere immer sein Andenken. Ich habe in der Ölindustrie in Kuwait gearbeitet. Dann ging ich nach Deutschland (2002), wo ich mehrere Unternehmen gründete (Immobilien, Ingenieurwesen usw.).

Ich wende mich auf diesem Weg an Sie, weil ich mich mit der Welt verbinden und etwas tun möchte, was ich vielleicht nicht tun sollte. Ich habe Hirntumor im Endstadium und meine Tage sind vorbei. Ich habe vor, einige meiner Habseligkeiten zu verschenken, weil ich jeden Tag krank bin und immer mehr Angst habe, weil mein Krebs so weit fortgeschritten ist. Liebe Freunde, ich weiß, dass wir uns nicht kennen, aber wenn ich Ihnen diese Nachricht sende, dann deshalb, weil ich heute kein anderes Ausdrucksmittel habe als das Internet.

Ich habe derzeit 650.000 € auf meinem Privatkonto gesperrt. Wer auch immer Sie sind, ich möchte Ihnen dieses Geld von ganzem Herzen geben, denn einerseits möchte ich, dass Sie sich selbst helfen. Menschen in Not, Waisen, die die Armen glücklich machen und jungen Unternehmern helfen, Geld für den Ausbau ihres Unternehmens zu finden. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dieses Geld spenden könnten, das Sie auch in Ihrem Unternehmen verwenden könnten. Ich hoffe, dass dir meine Geschichte nichts ausmacht? Wenn Sie an meinem Vermögen interessiert sind, senden Sie mir eine private Nachricht.“

Das Prinzip des Vorschussbetrugs: Ein alter Trick in neuem Gewand

Bei dem, was wir hier beobachten, handelt es sich um eine digitale Variante des so genannten Vorschussbetrugs. Die Täter versprechen ihren Opfern große Geldsummen, die diese jedoch nur erhalten sollen, nachdem sie zuvor einen „Vorschuss“ oder „Gebühren“ gezahlt haben. Natürlich gibt es das versprochene Geld nicht, und wer zahlt, verliert. In diesem Fall wird versucht, den Vorschussbetrug durch eine emotionale Geschichte zu verschleiern und potenzielle Opfer zum Handeln zu bewegen.

Die Maschinerie des Mitleids: Wie funktioniert der Betrug?

Emotionen sind ein mächtiges Werkzeug. Schon immer haben Betrüger versucht, das Mitgefühl ihrer Opfer für ihre Zwecke zu nutzen. Das Internet hat ihnen jedoch eine völlig neue Bühne geboten. Durch automatisierte Bots können sie ihre gefälschten Geschichten in beispielloser Geschwindigkeit und Masse verbreiten. Ihre Hoffnung: Dass zumindest einige wenige auf die emotionale Geschichte hereinfallen, Kontakt aufnehmen und schlussendlich Geld oder persönliche Informationen preisgeben.

Selbstschutz in der digitalen Welt: So entlarven Sie Betrugs-Bots

Es gibt einige Anzeichen, die auf einen Betrugsversuch hinweisen können:

  1. Unaufgeforderte Kommentare: Ein Bot, der unaufgefordert und in großem Umfang kommentiert, sollte sofort Misstrauen erwecken.
  2. Emotionale Überladung: Extreme Emotionen, tragische Geschichten – oft sind die Erzählungen so konstruiert, dass sie möglichst viel Mitleid erzeugen sollen.
  3. Geldangebote: Jedes Angebot, bei dem es darum geht, plötzlich und ohne nachvollziehbaren Grund Geld zu erhalten oder zu verschenken, sollte kritisch betrachtet werden.

Fazit: Immer wachsam bleiben

Während Bots und automatisierte Systeme in vielen Bereichen unseres Lebens nützliche Dienste leisten, gibt es leider auch dunkle Ecken im Netz, in denen sie missbraucht werden. Das Wissen um Methoden wie den Vorschussbetrug hilft uns, solche Betrugsversuche zu erkennen und ihnen nicht auf den Leim zu gehen. Es ist wichtig, stets skeptisch und wachsam zu bleiben und sich gegen die Tücken des digitalen Zeitalters zu wappnen.


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Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.
2) Einzelne Beiträge entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)