In unserer Welt der Informationsflut geraten Fakten manchmal durcheinander. Wir alle kennen die Kaskade von Zitaten, die in den sozialen Medien verbreitet werden – oft in einprägsame Bilder verpackt, aber falsch zugeordnet. Ein Beispiel ist das angeblich „Dostojewski“ Zitat: „Die Toleranz wird so weit gehen, dass man intelligenten Menschen das Denken verbietet, um Idioten nicht zu beleidigen.“ Dieses Zitat wird dem berühmten russischen Schriftsteller Fjodor Dostojewski zugeschrieben. Aber stimmt es wirklich?

Dieses Sharepic macht derzeit in den sozialen Medien die Runde:

MIMIKAMA
BehauptungenFaktencheck
Das Zitat „Die Toleranz wird ein solches Niveau erreichen, dass intelligenten Menschen das Denken verboten wird, um Idioten nicht zu beleidigen“ stammt von Fjodor Dostojewski.Falsch: Dieses Zitat lässt sich im Werk Dostojewskis nicht nachweisen. Experten, einschließlich der Deutschen Dostojewskij-Gesellschaft, bestätigen, dass diese Aussage dem Autor fälschlicherweise zugeschrieben wird.
Der russische Begriff für Toleranz, „tolerantnost“, wurde zu Dostojewskis Zeiten verwendet.Falsch: Der russische Begriff für Toleranz, „tolerantnost“, wurde erst ab den 1890er Jahren in der russischen Sprache nachgewiesen – zehn Jahre nach Dostojewskis Tod.
Das Zitat stammt aus dem russischen Spielfilm „Hundeherz“.Falsch: Der Wortlaut des Zitates taucht weder in der Novelle „Hundeherz“ von Michail Bulgakow noch in dessen Verfilmung auf.
Das Zitat wird oft in Gruppierungen verwendet, die LGBTQ-Rechte diskreditieren.Richtig: Laut dem Zitatforscher Gerald Krieghofer ist das Zitat besonders in Gruppierungen beliebt, die LGBTQ-Rechte diskreditieren.

Falsche Zuschreibung – Eine verbreitete Praxis

Einer bekannten Persönlichkeit Worte in den Mund zu legen, ist im digitalen Zeitalter einfach. Eine Internetverbindung ein Sharepic und schon kann ein Zitat viral gehen. Aber wie sieht es mit der Authentizität dieser Aussagen aus? Unser Zitat ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich Missverständnisse und Fehlinformationen verbreiten können.

Dostojewski und Toleranz – Eine Untersuchung

Zunächst einmal gibt es keinen Beweis dafür, dass Dostojewski diesen Satz jemals geschrieben hat. Laut Christoph Garstka von der Deutschen Dostojewskij-Gesellschaft ist das Zitat in Dostojewskijs Werk nicht nachweisbar. Garstka argumentiert weiter, dass der russische Begriff für Toleranz, „tolerantnost“, in der russischen Sprache erst seit den 1890er-Jahren nachweisbar ist – zehn Jahre nach Dostojewskis Tod.

Der Zitatforscher Gerald Krieghofer bestätigt in seinem Blogbeitrag, dass das angebliche Dostojewski-Zitat falsch ist. Auch eine umfangreiche Suche auf russischen Internetseiten mit Werken des Autors ergab keinen Hinweis auf das Zitat.

Herkunft des Zitats – Eine Suche

Unsere Recherchen führen uns zu einer russischen Website, auf der das Zitat erstmals 2019 auftaucht. Es wird jedoch nicht Dostojewski zugeschrieben. Vielmehr wird eine Szene aus dem russischen Spielfilm „Hundeherz“ gezeigt, in dem der Schauspieler Evgeni Evstigneev die Rolle des Professors Filipp Preobrashenski spielt. Der Film basiert auf einer Kurzgeschichte von Michail Bulgakow, ebenfalls ein russischer Schriftsteller. Manchmal wird das Zitat fälschlicherweise Bulgakow zugeschrieben. Aber weder in der Novelle noch in der Verfilmung kommt das Zitat vor.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Falsche Zuschreibung – Ausbreitung und Folgen

Seit Mitte 2021 kursiert das Zitat in deutscher Sprache und wird fälschlicherweise Dostojewski zugeschrieben. Einige stellen diese Zuschreibung in Frage, andere verbreiten es ungeprüft weiter. Interessanterweise ist das Zitat vor allem bei Gruppen beliebt, die LGBTQ-Rechte diskreditieren. Diese Tatsache unterstreicht die Bedeutung von Toleranz, die der Freiheit des Einzelnen dient, seine Überzeugungen zu wählen, und gleichzeitig die gleiche Wahlfreiheit für alle anderen anerkennt.

Fazit

Kritisch zu sein und zu prüfen, was wir teilen und verbreiten, ist in einer Welt der sofortigen Informationsübermittlung wichtiger denn je. Die Geschichte des falsch zugeordneten Dostojewski-Zitats ist ein Beispiel dafür, wie leicht sich Fehlinformationen verbreiten können. Möge dies eine Erinnerung an die Macht der Worte sein und an unsere Verantwortung, diese Macht weise zu nutzen.

Quelle: Lead Stories

Lesen Sie auch: Video-Faktencheck: Angriff auf Jugendlichen durch Tritt gegen Kopf von im Park

Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.
2) Einzelne Beiträge entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)