Kein Windsterben durch Windkraft
Windkraftanlagen sind Wunderwerke der Technik. Sie erzeugen wahlweise Strom oder Wind – wird zumindest immer wieder behauptet. Der neueste Spin der Windkraftgegner lautet: Windräder sorgen für Windstille. Klingt absurd? Ist es auch.
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Die Behauptung
Windsterben durch Windkraft: Die Westwind-Wetterlage, die seit Menschengedenken Nordwesteuropa und Mitteleuropa hinreichend mit Niederschlägen versorgt hat, sei künstlich abgeschaltet worden.
Unser Fazit
Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Windkraftanlagen und der gemessenen Verringerung der Windgeschwindigkeiten. Die entnommene Energie hat nur lokale Auswirkungen bei großen Windparks und spielt auch dort schon nach wenigen Kilometern keine Rolle mehr. Als Hauptverursacher für das Windsterben in den mittleren Breiten gilt der Klimawandel.
Es geistern immer wieder die wildesten Geschichten durchs Netz: Windräder generieren keinen Strom, sondern sind Ventilatoren. Oder sie sind sogar verantwortlich für Stürme. Windräder leiten globale Höhenwinde, sogenannte Jetstreams, um. Windräder sind die Ursache von Starkregen. Das ist natürlich alles Blödsinn, wie wir bei Mimikama bereits ausführlich aufgezeigt haben.
Vor kurzem erreichten uns wieder mehrere Anfragen zu Windrad-Falschmeldungen, die aktuell in den sozialen Medien geteilt werden. Auf den ersten Blick klingen die zitierten Autor:innen wie seriöse Wissenschafter:innen. Wenn man allerdings nach wissenschaftlichen Publikationen sucht, wird schnell klar: Diese Personen haben nie im Fachbereich gearbeitet oder Artikel in peer reviewed Fachmagazinen veröffentlicht. Sehr häufig werden dabei auch die Aussagen von wirklich im Fach forschenden Personen so lange verdreht, bis sie zu den eigenen Lügen passen. Die Behauptungen: Windräder sorgen für ein „Windsterben“. Zu wenig Wind führt zu wenig Regen. Und das trägt auch zu Dürren und Klimawandel bei.
Nach Ansicht von „Gegenwind Deutschland“, die sich gegen einen imaginierten „Windwahn“ richten, ist die Lage klar: „5000 Windräder in der Nordsee stellen eine ‚Sperre‘ dar und schwächen zusammen mit den 30.000 allein deutschen Windrädern den Jet-Stream. Dieser zieht nicht mehr von Westen nach Osten wie früher, ja, wie seit Menschengedenken!“ Die Folge seien weniger Niederschläge von Nordsee und Atlantik und damit auch zunehmend trockenere Sommer. Die Wissenschaft sagt aber klar: Das stimmt so nicht!
Nein, Windparks sind nicht schuld
Selbstverständlich ist es der Sinn von Windkraftanlagen, dem Wind Energie zu entziehen, um diesen in elektrische Energie umzuwandeln. Die Gretchenfrage ist allerdings, ob das nur zu einer kurzzeitigen und lokalen oder doch zu einer längeren, regionalen Verminderung der Windgeschwindigkeiten führt? Das Forschungsteam um Dr. Martin Dörenkämper beim Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme geht unter anderem dieser Forschungsfrage in ihrem X-Wakes Projekt nach.
Die Abnahme der Windgeschwindigkeit lässt sich durchaus messen, besonders bei Offshore-Windparks, wo viele Anlagen auf kleiner Fläche stehen. Dieser direkte Einfluss der Windräder löst sich allerdings bereits nach wenigen Kilometern wieder auf. Die fehlende Energie wird sehr schnell wieder von oben und von den Seiten ausgeglichen. Eine Studie von 2019 belegt klar, dass die Nachlaufeffekte – Verminderung der Windgeschwindigkeit und verstärkte Turbulenz – eigentlich nur die unmittelbare Umgebung der Windparks betreffen.
Ein Detail ist allerdings richtig: Die Windgeschwindigkeiten haben in den letzten 40-50 Jahren in den Regionen der mittleren Breiten abgenommen. Dieses Phänomen wird im Englischen als „stilling“ oder „terrestrial stilling“ bezeichnet.
Stilling ist eine Folge des Klimawandels
Zunächst wurde der Verringerung der Windgeschwindigkeiten und seinen Ursachen wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Erst im Kontext der Erforschung der Klimaerwärmung sollte sich das ändern. Die Europäische Union hat deshalb 2016 das Forschungsprojekt STILLING ins Leben gerufen, das gezielt Daten sammeln und Zusammenhänge mit anderen klimatologischen Prozessen herausfinden sollte. Auch die Auswirkungen auf Windkraftanlagen, Land- und Forstwirtschaft, Auswirkungen auf Umwelt, Luftqualität und menschliche Gesundheit spielten eine Rolle beim 2-jährigen Projekt.
Ein wissenschaftlicher Artikel im Journal Nature Climate Change gibt allerdings Grund zur Entwarnung: Seit 2010 hat sich der Trend umgekehrt und die globalen Windgeschwindigkeiten sind wieder im Steigen. In den Jahren 2010 bis 2017 hat sich deshalb die potenziell nutzbare Windenergie in den USA um 17 Prozent erhöht. Die Autor:innen gehen sogar davon aus, dass in Zukunft die Veränderungen in den Windgeschwindigkeiten so genau vorausgesagt werden können, dass Windturbinen über ihre gesamte Lebensdauer auf die erwarteten Geschwindigkeiten hin optimiert werden können.
Ein weiterer Forschungsartikel vom Juli 2022 bestätigt die Erholung der Windgeschwindigkeiten im letzten Jahrzehnt. Jedoch gehen die Autor:innen davon aus, dass dieser Trend sich wieder umkehren wird, wenn die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre weiter zunimmt.
Fazit
Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Windkraftanlagen und der gemessenen Verringerung der Windgeschwindigkeiten. Die entnommene Energie hat nur lokale Auswirkungen bei großen Windparks und spielt auch dort schon nach wenigen Kilometern keine Rolle mehr. Als Hauptverursacher für das Windsterben in den mittleren Breiten gilt der Klimawandel.
Wenn wir nicht die Kohlendioxidemissionen erheblich reduzieren, dann drohen uns extrem heiße und windstille Sommer in Mitteleuropa. Weniger Strom aus Windkraft wird unsere geringste Sorge sein. Übrigens sind Windräder jetzt schon ein wichtiger Teil im Kampf gegen den Klimawandel: Genau wie die anderen Methoden zur Stromerzeugung aus regenerierbaren Energien setzen sie nämlich im Betrieb kein CO2 frei!
Quellen:
https://www.iwes.fraunhofer.de/de/forschungsprojekte/aktuelle-projekte/x-wakes-.html
https://link.springer.com/article/10.1007/s10546-019-00473-0
https://cordis.europa.eu/project/id/703733/de
https://www.nature.com/articles/s41558-019-0622-6
https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1029/2021EF002448
https://www.topagrar.com/energie/news/windsterben-durch-windkraft-fehlinterpretation-von-aktueller-studie-12502607.html
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