Popeye: Bild zeigt nicht den Mann, der als Inspirationsquelle diente

Wie heißt es so oft: Jede Legende hat einen wahren Kern. Popeye, der Seemann beruht wirklich auf einem berüchtigten Raufbold aus der Geburtsstadt von E. C. Segar.

Autor: Walter Feichtinger

Die Behauptung

Popeye, der Seemann, soll auf einem Mann basieren, den es tatsächlich gab und von dem die Comic- und Zeichentrickfigur viele Eigenschaften geerbt haben soll. Ein häufig geteiltes Foto soll diesen Frank „Rocky“ Fiegel aus Chester, Illinois zeigen, der dem Schöpfer E. C. Segar als Vorbild diente.

Unser Fazit

Popeye, der Seemann beruht wirklich auf Frank „Rocky“ Fiegel aus der Chester, der Geburtsstadt von E. C. Segar. Was von den wilden Geschichten um den berüchtigten Raufbold wirklich stimmt, lässt sich aber heute nur mehr schwer sagen. Das Detail mit dem Dosenspinat fügte Segar erst später hinzu, als sich Eltern darüber beschwerten, dass Popeye ein so schlechtes Vorbild für ihre Kinder wäre.
Das häufig geteilte Foto ist allerdings nicht von Fiegel, sondern zeigt einen britischen Matrosen während des Zweiten Weltkriegs, der den Spitznamen „Popeye“ trug.

Es geistert schon länger ein Bild durchs Netz, das den Mann zeigen soll, auf den die Cartoon-Figur Popeye, der Seemann von E. C. Segar basieren soll:

„Nur wenige Menschen wissen, dass die Figur Popeye tatsächlich existierte. Sein richtiger Name war Frank „Rocky“ Fiegel,…

Gepostet von Frei -Denker- System am Mittwoch, 9. Juni 2021

Bei dem Mann auf dem Bild soll es sich um den polnischen Auswanderer Frank „Rocky“ Fiegel handeln, der nicht nur in der US-Navy diente, sondern auch dem jungen Segar als Vorlage für seine berühmte Figur Popeye. Oft wird die Geschichte noch weiter ausgeschmückt: Pfeife im Mundwinkel, zugekniffenes Auge, Spinat und ein Hang dazu, Probleme mit Gewalt zu lösen, seien auch durch Fiegel inspiriert.

Während einige der Details stimmen, sind andere dazu erfunden. Das Foto ist allerdings nicht von Frank Fiegel.

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Foto eines unbekannten Seemanns mit Spitznamen „Popeye“

Das oft geteilte Bild wurde während des Zweiten Weltkriegs auf dem Schiff HMS Rodney (Royal Navy) aufgenommen. Es ist Teil einer Fotoserie von Reginald George Guy Coote, der im September 1940 die Mannschaft des Schlachtschiffes ablichtete. In der Digitalsammlung der Imperial War Museums hat das Bild mit der Katalognummer A 849 folgende Bildbeschreibung:

A Leading Stoker nicknamed „Popeye“, with 21 years service.

Ein führender Heizer, mit dem Spitznamen „Popeye“, 21 Dienstjahre.

ON BOARD THE BATTLESHIP HMS RODNEY. SEPTEMBER 1940, OFFICERS AND MEN ON BOARD THE BATTLESHIP.

Mehr ist über den abgebildeten, britischen Seemann leider nicht bekannt. Eines ist aber eindeutig: Frank „Rocky“ Fiegel aus der Erzählung ist 1868 geboren und ging 1887 zur US-Navy. Damit wäre der Mann im Jahr 1940 bereits 72 Jahre alt und hätte entweder 53 Dienstjahre hinter sich oder wäre längst schon im Ruhestand. Das passt einfach nicht mit dem Bild und vorhandenen Informationen zusammen. Es ist viel wahrscheinlicher, dass der Heizer am Foto die populäre Figur aus der Zeitung oder dem Kino kannte:

Popeye erschien erstmals am 17. Januar 1929 in Elzie Segars syndiziertem Zeitungsstrip Thimble Theatre. Popeyes Popularität explodierte förmlich, und innerhalb von fünf Jahren wurde er zu einer der beliebtesten Comicfiguren – mit Nachdrucken von Comicstrips, Zeichentrickfilmen für das Kino, Radioprogrammen und Werbespots, die die Figur bei Fans bekannt machten.

Library of Congress
Das Debüt der Comicfigur: Thimble Theater „Gobs of Work“ (Fingerhut-Theater: Jede Menge Arbeit)

Der „echte“ Popeye, Frank Fiegel

Als E. C. Segar 1919 begann, an seinem Thimble Theater zu arbeiten, holte er sich Inspiration bei den Bewohnern seiner Kleinstadt Chester in Illinois. Die große, schlaksige Olive Oyl, die später zur Geliebten des Seemanns werden sollte, basierte z.B. auf der Inhaberin eines örtlichen Gemischtwarenladens, Dora Paskel. Der Hamburger-süchtige Wimpy wurde hingegen von Segars erstem Arbeitgeber inspiriert, dem Geschäftsführer des Chester Opera House, William Schuchert. Dieser war bekannt für seine freundlichen Umgangsformen, aber auch berüchtigt für wilde Lügengeschichten und seine Vorliebe für Hamburger.

Popeye and Olive Oyl take top prize and Wimpy comes in a close second in a hamburger/spinach eating competition. #TBT

Gepostet von Popeye am Donnerstag, 17. April 2014

Der Nebencharakter Popeye kam erst Jahre später, nämlich 1929 hinzu und sollte bald den anderen Figuren die Show stehlen. Inspiration holte sich Segal wieder bei einem berüchtigten Lokalhelden von Chester: Frank „Rocky“ Fiegel. Der Popeye-Biograf Fred Grandinetti ließ sich dessen Geschichte von einem Bewohner von Chester erzählen: Der Mann polnischer Abstammung wird als „groß und stark“ beschrieben, „immer bereit für einen Kampf und immer ein Gewinner“.

Einmal sollen ihm fünf Jugendliche aufgelauert haben, um ihn zu verprügeln. Der Kampf ging aber anders aus: Fiegel schlug drei von ihnen nieder und die letzten beiden flüchteten. Nach seiner Arbeit in einem Saloon, trank Frank gerne ein paar Bierchen und machte ein Nickerchen in der Sonne, mit Pfeife im Mund. Schulkinder machten sich dann gerne den Spaß, ihn zu erschrecken und davonzulaufen. „Rocky“ soll dann mit fuchtelnden Armen aufgesprungen sein, bereit für einen Kampf.

Die New York Times zitiert den Großneffen des Besitzers des Chester Opera House, Ernie Schuchert, der auch sich auch an Frank Fiegel erinnern kann. Als Kind hatte er den Mann immer gruselig gefunden: „Er saß auf der Treppe vor seinem Haus, das wirklich baufällig war. Ich weiß nicht, ob er jemals wusste, dass er Popeye war“. Schuchert beschreibt ihn als „kleinen Kerl wie Popeye, aber ohne den Hauch von Süße in seinem Auftreten“. Er war oft in Kneipenschlägereien verwickelt, von denen er allerdings nicht viele verloren haben soll.

Noch mehr Geschichten über Frank „Rocky“ Fiegel

Anlässlich des 50. Geburtstags von Popeye brachte die Tageszeitung The Southern Illinoisan ein einseitiges Feature über die Comicfigur und sein Vorbild Frank Fiegel. „Rocky“ war nie Seemann, trank gerne Schnaps und hatte den Ruf, ebenso zäh und furchtlos zu sein wie die Zeichentrickfigur. Im Artikel kommt auch der Neffe der Legende zu Wort, Clyde Feegle: „Er hatte nie Angst vor etwas, das auf zwei Beinen lief“.

Feegle war damals noch ein kleiner Junge, aber er glaubt, dass es Franks Ruf als Schläger war, der seine Mutter davon überzeugte, dass es besser für die Familie wäre, nach St. Louis zu ziehen und den Familiennamen zu ändern. Trotzdem erreichten die Geschichten von Franks Untaten die Familie noch im Exil. Er kann sich auch noch an eine Geschichte erinnern, als sein Onkel einmal in St. Lois zu Besuch war:

Frank ging in eine Kneipe am Deich. „Drinnen saßen zwei große Kerle, die sagten, man müsse Getränke aufs Haus kaufen oder die Boxhandschuhe anziehen. Sie hatten einen großen Schläger, der nur auf einen Kampf wartete, aber er (Fiegel) zog die Handschuhe an und schlug den Kerl bewusstlos“, erzählt Feegle.

Frank Rocky Fiegel
Eine der wenigen Aufnahmen, die von Fiegel existieren. Quelle: The Southern Illinoisan

In einer anderen Geschichte half er Jungs, die von seinem Ruf wussten: Auf dem Land gab es eine Tanzveranstaltung, bei der die Einheimischen 25 Cents Eintritt zahlen mussten, die Jungs von der Stadt sollten allerdings 50 Cents blechen. „Einige der Jungs kamen zu Rocky und baten ihn, mit ihnen zu kommen, aber er wollte nicht gehen. Die Jungs kauften ihm Whisky, bis er schließlich einwilligte. Als sie dort ankamen, sagte ein großer Kerl zu Rocky, er müsse 50 Cent zahlen, sonst könne er nicht tanzen. Rocky sagte: Ich zahle einen Vierteldollar, oder es wird nicht getanzt“. Es kam zu einer Rauferei. Rocky sollte Recht behalten. Als schließlich die Polizei eintraf, tanzte keiner mehr.

Vom Schläger zum Helden und Spinat-essenden Vorbild

Bei den Kindern soll „Rocky“ sehr beliebt gewesen sein, erzählt Clyde Feegle. Er gab ihnen immer Süßigkeiten und erzählte ihnen Geschichten. Einmal kam er einem Nachbarjungen zu Hilfe, der von einem Mann verprügelt wurde. Auch als dieser ein Messer zog und Fiegel verletzte, gab dieser nicht nach, bis der Mann abzog. Der ursprüngliche Popeye erbte diese Eigenschaften.

Ausschnitte aus Popeyes Filmdebüt, 1933

Im Jubiläums-Artikel des Southern Illinoisan kommt auch E. C. Segars Neffe, Louis Segar zu Wort und erzählt die Geschichte, wie es zur Dose Spinat kam: „Popeye war ein Kämpfer, und als sich Eltern beschwerten, dass ihre Kinder sich prügelten, um Popeye zu imitieren, milderte mein Onkel die Sache ab und fügte eine Dose Spinat hinzu, in der Hoffnung, die Kinder würden sie essen“.

Frank Siegel erfuhr erst nach dem Tod von Elzie Segar im Jahr 1938, dass er das Vorbild für die berühmte Comicfigur gewesen war. Damals veröffentliche eine Lokalzeitung aus St. Lois ein Foto, das Fiegel im Schaukelstuhl und Pfeife rauchend zeigte. Er selbst galt sein Leben lang in Chester als ein wilder Raufbold. Erst lange Jahre nach seinem Tod wurde sein schlichtes Grab zu einer Gedenkstätte umgestaltet.

Find a Grave

Fazit: Der Raufbold Frank „Rocky“ Fiegel aus Chester, Illinois war wirklich die Inspirationsquelle für Popeye, den Seemann von E. C. Segar. Die verschiedenen Quellen widersprechen sich allerdings bei einigen Details seiner Geschichte: Mal ist Fiegel selbst aus Polen ausgewandert, mal ist er lediglich polnischer Abstammung. Die einen nennen ihn einen ehemaligen Seemann, andere verneinen das. Manche sehen einen lokalen Helden in ihm, der anderen mit seinen Fäusten zu Hilfe kam, andere sprechen von einem unheimlichen Trunkenbold.
Eines ist jedenfalls gesichert: Das Foto mit dem Pfeife rauchenden Seemann ist nicht von Fiegel, sondern nur von einem unbekannten, britischen Heizer, der den Spitznamen „Popeye“ trug.

Bewertung: FALSCH

Quellen: The Southern Illinoisan, Library of Congress, Imperial War Museums, Snopes, New York Times, newspapers.com, chesterill.com, findagrave.com
Fred M. Grandinetti (2004) Popeye: An Illustrated Cultural History, Second Edition, McFarland. ISBN: 978-0-7864-1605-9

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